Im Iran gab es keine Infos zum Mauerfall

Zweibrücken/Einöd · „Was machten Sie am 9. November 1989“, als die Mauer fiel? Diese Frage stellen wir unseren Lesern, einige haben bereits von ihren Eindrücken des historischen Tages berichtet. Heute gibt Jürgen Döring aus Einöd Auskunft.

Am 9. November 1989 flog ich mit vier Kollegen von John Deere gegen 17.30 Uhr mit der Lufthansa von Frankfurt nach Teheran , um in Arak, rund 250 Kilometer südlich von Teheran , in der dortigen Mähdrescherfabrik zu helfen, Mähdrescher zu bauen.

John Deere hatte in den sechziger Jahren mit der dortigen Mähdrescherfabrik Iran Combine Manufacturing Company (ICMO) einen Kooperationsvertrag geschlossen, dass John Deere Teile liefert, die dort nur montiert werden. Hierzu waren immer Leute aus Zweibrücken vor Ort, um Hilfestellung zu leisten. Diese Kooperation funktionierte bis zu dem Zeitpunkt, als Ayatollah Khomeini aus Frankreich zurück in den Iran kam und der Shah vertrieben wurde. Danach wurden keine Teile mehr geliefert, und die Leute von John Deere wurden abgezogen. Nach circa zwei Jahren kam im Jahr 1989 , Khomeini verstarb am 3. Juni 89, ein Hilferuf zur John-Deere-Hauptverwaltung mit der Aussicht, wieder Teile zu beziehen, wenn Leute nach Arak kämen, um Hilfestellung in der Fabrik zu geben.

So fragte man mich, ob ich bereit wäre, als Teamleiter mit Mitarbeitern aus der Produktion dort hinzugehen. Und nach Gesprächen auch mit meiner Frau entschloss ich mich dazu, in den Iran zu gehen. Im Oktober kamen noch Iraner aus Arak nach Zweibrücken, um Gespräche zu führen und sich die Produktionsmethoden im Werk anzusehen.

Und dann der 9. November: Der Donnerstag ist im Iran wie bei uns Samstag, und der Freitag ist unser Sonntag, das heißt Gebetstag und arbeitsfrei.

Wir bekamen weder in Teheran noch in Arak etwas mit, dass die Mauer geöffnet wurde, E-Mail und Fax gab es noch nicht. Die einzige Verbindung war Telex mit Lochstreifen und Telefon.

Wenn ich daheim gewesen wäre, wäre ich abends mit meiner Frau nach den Fernsehnachrichten mit dem Auto nach Berlin gefahren, um den Mauerfall mitzufeiern. So mussten wir dies bis Weihnachten verschieben. Dann fuhr ich mit Frau und Kindern, zwei befreundeten Ehepaaren aus Einöd und Freunden unserer Kinder nach Berlin und wir feierten Silvester und Neujahr in Berlin. Mit auf der Mauer sitzenden und Beton klopfenden Kindern. Es waren nach dem 9. November nur zwei kleine Öffnungen neben dem Brandenburger Tor in der Mauer, durch die man ins frühere Ostberlin und zurück gehen konnte.

Die Mauer wurde vor dem Brandenburger Tor von Westberlin bis Silvester abgesperrt, um zu vermeiden, dass Mauerspechte vor Silvester schon mit Hammer und Meißel an der Mauer klopfen konnten.

Für mich war dieser Augenblick, durch die Mauer zu gehen, ein sehr großes Glücksgefühl, denn es war meine Heimat, die ich am 1. November 1960, noch ohne Probleme vom Osten in den Westen Berlins zu gelangen, verlassen hatte. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie die damaligen Kollegen bei Siemens in Mannheim am 14. August 1961 zu mir kamen und viele Fragen über den Zustand und die Lebensweise in Berlin stellten. Leider gibt es, vorwiegend in Berlin, immer noch Leute, die 25 Jahre nach dem Mauerfall eine neue Mauer, höher als früher, errichten würden. Schade.

In den Erlebnisbericht von Klaus Welsch (wir berichteten am Mittwoch) hat sich ein Fehler eingeschlichen. Welsch leitete in Erbach eine Notunterkunft für DDR-Übersiedler. Welsch wird mit der Aussage zitiert, die Bundeswehr habe in Erbach 200 Feldbetten für Übersiedler organisiert. Es waren jedoch Helfer des THW, die diese Feldbetten beischafften, macht Welsch aufmerksam.

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