Nächtlicher Neujahrs-Brauch in Rieschweiler-Mühlbach Nicht völlig sanglos ins neue Jahr

Rieschweiler-Mühlbach · Corona-bedingt war das offizielle Neujahrssingen in Rieschweiler-Mühlbach abgesagt. Doch ein engagierter Bürger sorgte dafür, dass der jahrhundertealte Brauch nicht gänzlich brach.

 Das Archivbild zeigt das Neujahrssingen aus dem Jahr 2019/2020. Zweiter von rechts: Hans Isemann.

Das Archivbild zeigt das Neujahrssingen aus dem Jahr 2019/2020. Zweiter von rechts: Hans Isemann.

Foto: Norbert Schwarz

Das Neujahrssingen beim Eingangsportal der Protestantischen Dorfkirche von Rieschweiler-Mühlbach wird nach Einschätzung der Dorfbewohner bereits seit Menschengedenken gepflegt. Die Pandemie allerdings sorgte für eine unfreiwillige Atempause in der Brauchtumspflege. Bereits zu Silvester 2021 war Stille eingekehrt. Offiziell gab es auch dieses Jahr kein Singen, das schwere Kirchenportal war verschlossen, Dunkelheit herrschte rund ums Gotteshaus. Mit Genehmigung des Presbyteriums sorgte allein Müllermeister Hans Isemann mit familiärer Unterstützung für Gesang und Gebet.

„Mit liegt dieser alte Dorfbrauch ganz besonders am Herzen“, erzählt der engagierte Christ und Brauchtumspfleger Hans Isemann auf Merkur-Anfrage. Den im Presbyterium gefassten Beschluss, wegen der Pandemie auch dieses Jahr auf des traditionelle Neujahrssingen im protestantischen Gotteshaus von Rieschweiler zu verzichten, wollte Hans Isemann nicht hinnehmen. Zumindest einen kurzweiligen Gesang mit Gebot sollte es geben! Zur Gottes Ehre und auch im Hinblick darauf, dass es keine Unterbrechung in der Brauchtumspflege gibt. Isemann erklärt: „Ich schätze mal, dass bereits Jahrhunderte hindurch dieser Brauch von Christen in Rieschweiler gepflegt wird. Jetzt, wo ich offiziell aus dem Berufsleben ausgeschieden bin, werde ich mich dranmachen und darüber Nachforschungen anstellen, ob über die Gründe für diesen alten Brauch etwas Schriftliches aufzufinden ist. Das ist für mich von großem Interesse. Beim diesjährigen Neujahrssingen, das ja mehr eine familiäre Angelegenheit gewesen ist, haben wir zumindest das Fortsetzen des Brauches erreicht.“ Nach Isemanns Einschätzung wäre aber mehr möglich gewesen: „Singen im Gotteshaus nur mit Maske. Eine solche Anordnung verstehe ich, aber beim Gesang im Eingangsportal? Gerade in Notzeiten sollte sich die Kirche öffnen! Selbst in Kriegszeiten gab es das Neujahrssingen in Rieschweiler und ich hätte es begrüßt, wenn unter Einhaltung der Hygienevorschriften auch dieses Jahr in einem größeren Kreis hätte gesungen und gebetet werden können. Jetzt erfuhr ich Unterstützung aus meiner Familie und einer pakistanischen Gastfamilie, welche bei uns zu Besuch weilte!“

Presbyter Kurt Bauer dagegen hielt Singen im großen Kreis nicht für möglich. Man habe sich darüber frühzeitig Gedanken gemacht und im Presbyterium Für und Wider abgewogen. Die Entscheidung sei dann ganz eindeutig für eine Unterbrechung der Brauchtumspflege gefallen. Dass Hans Isemann dann im privaten Kreis sich für einen kurzzeitigen Gesang und Gebete persönlich mit seiner Familie einsetzte, habe von kirchlicher Seite aus Zustimmung erfahren. Dies sei ja nicht gegen die offiziellen Hygienevorschriften gewesen.

Schon zu Silvester 2019/2020, dem letzten offiziellen Neujahrssingen in Rieschweiler-Mühlbach, war die Schar der Sängerinnen und Sänger überschaubar. Unter normalen Umständen kamen immer direkt mit dem Einläuten des neuen Jahres Bürger des Ortes, oftmals sogar mit Gästen, von der eigenen Silvesterfeier beim dorfbildprägenden Gotteshaus zusammen, um in ganz besonderer Art das neue Jahr zu begrüßen. Mit vielstimmigem Gesang, Glockengeläut, Gebet und Schriftbeiträgen, die zum Nachdenken anregenden. An einem Gläschen Sekt oder Saft für zwischendurch mangelt es gleichfalls nicht. Es sind treue Brauchtumspfleger, die sich immer wieder einfinden. Bewohner des Ortes, überwiegend aus der protestantischen Kirchengemeinde aber auch Katholiken, wie Ingo Job und dessen Ehefrau Waltraud zuletzt, welche gelebte Ökumene demonstrieren und dieses Neujahrssingen wie die Übrigen auch längst zu einer Herzenssache gemacht haben. Engagiert, und auch mit einem Stück Gottvertrauen, dass alles gut werde im neuen Jahr.

Pfarrerin Silke Gundacker, die 2021 die Stelle ihrer Vorgängerin Ulrike Höflich eingenommen hatte, konnte diese besondere Augenblicke des Neujahrssingens noch nicht miterleben. Für Höflich war es immer eine ganz besondere Nacht, ein unglaublich schöner Neujahrsbeginn. Ihr war nie bange, dass dieser Brauch verloren gehen könnte. Die Schwankungen bei der Teilnehmerzahl seien durchaus nachvollziehbar, lägen bisweilen beim Wetter oder halt im persönlichen Bereich der Betroffenen, hatte Höflich stets betont. Hans Isemann meinte dazu vor Jahren: „Wir haben schon einmal zu Fünft unter dem Chorbogen des Eingangsportals gestanden und fest gesungen. Es werden auch künftig mal mehr oder weniger kommen, aber von einer Aufgabe dieses uralten Brauches kann keine Rede sein!“

Aus gesundheitlichen Gründen hätte die Mittachtzigerin Lilli Bayer dem diesjährigen Neujahrssingen ohnehin fernbleiben müssen. Dass Corona jetzt aber für eine Unterbrechung sorgte bedauert Lilli Bayer sehr – und hofft darauf, dass bald wieder „normale Umstände“ ein Neujahrssingen wie eh und je ermöglichen.

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