Kaum Fluggäste mehr Hunsrück-Flughafen Hahn im Abwind

Hahn · Geschlossene Shops und Kaffee aus dem Automaten: Nur noch wenige Fluggäste starten am Hunsrück-Airport Hahn. Die Aussichten in Corona-Zeiten sind düster, nur das Frachtgeschäft bleibt ein Lichtblick.

 Ein Gedenkstein im Ort Hahn erinnert auch an die militärische Vergangenheit des Hunsrückflughafens. Von Januar bis September hatte der ehemalige amerikanische Militärflughafen rund 370 000 Fluggäste – 69 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Ein Gedenkstein im Ort Hahn erinnert auch an die militärische Vergangenheit des Hunsrückflughafens. Von Januar bis September hatte der ehemalige amerikanische Militärflughafen rund 370 000 Fluggäste – 69 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Foto: dpa/Thomas Frey

Gerne erinnert sich ein Anwohner des Hunsrück-Flughafens Hahn an Sonntage vor gut zehn Jahren. „Wir sind da regelmäßig zum Terminal spaziert und haben in den Cafés den halben Hunsrück getroffen“, erzählt der Erste Beigeordnete der Ortsgemeinde Hahn, Wolfgang Schmidt. Der Trubel mit jährlich bis zu rund vier Millionen Passagieren, längst ist er vorbei. Im Corona-Teil-Lockdown und mit einem zusammengestrichenen Winterflugplan bietet sich ein ganz anderes Bild an dem abgelegenen Airport Hahn.

Ein Werktag im November. 15 Autos und drei Polizeiwagen stehen auf dem Parkplatz direkt vor dem Terminal. Manche der Parkflächen weiter weg sind leer. Im Terminal formiert sich eine Warteschlange für einen der wenigen Passagierflüge an diesem Tag - nach Sofia, Hauptstadt von Bulgarien. Ansonsten ist kaum jemand zu sehen. Alle Shops und in diesem Moment auch das Café und das Schnellrestaurant haben geschlossen. Die Mitarbeiterin am Infoschalter deutet mit der Hand in die Mitte des Terminals: „Da ist noch ein Kaffeeautomat.“ Weiter oben auf der Besucherterrasse sprießt Grün zwischen den Bodenfliesen.

Europas größter Billigflieger Ryanair, Platzhirsch im Passagiergeschäft am Hahn, hat hier die Zahl der Flüge wegen Corona kürzlich erneut verringert. An manchen Tagen startet die Airline gar nicht mehr im Hunsrück. Schon vor Corona hatte sie Hahn-Flüge zu benachbarten größeren Airports verlagert. Daneben fliegen noch die kleineren Fluggesellschaften Air Serbia, Wizz Air und Fly One den Hahn an, ebenfalls mit einer überschaubaren Zahl von Zielen.

Luca Rossiello wartet in einer Ecke im Terminal auf den Flug zu seiner italienischen Heimatstadt Pescara. „Ich habe hier meine Freundin in Frankfurt besucht. Der Flug zurück kostet heute nur zehn Euro, da ist es nicht schlimm, dass hier alles geschlossen ist“, sagt der 30-Jährige. Emi, eine junge Frau, wartet auf ihren Vater im Anflug aus Bulgarien: „Es ist schlecht, dass die Shops zu haben.“

2019 hat der Hahn noch etwa 1,5 Millionen Passagiere gezählt. 2020 dürften es deutlich weniger sein. Von Januar bis September waren es laut dem Flughafenverband ADV gut 370 000 Fluggäste - 69 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Regionalflughäfen stehen bundesweit unter Druck. Der Airport Schwerin-Parchim ist 2019 pleite gegangen, der Flughafen Paderborn-Lippstadt hat im September 2020 Insolvenz in Eigenregie angemeldet. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat bei einem Luftfahrtgipfel am vergangenen Freitag ein staatliches Rettungspaket von einer Milliarde Euro für Deutschlands Flughäfen vorgeschlagen, sich damit aber vorerst nicht durchsetzen können.

Am Airport Hahn ist allerdings das Frachtgeschäft laut ADV von Januar bis September gemessen am Vorjahreszeitraum um 33,8 Prozent auf 162 158 Tonnen deutlich gewachsen - trotz Corona-Krise und gegen den Trend bei etlichen anderen Airports. Der Hahn besitzt eine begehrte Nachtflugerlaubnis. Nur vier andere größere deutsche Airports haben sie ebenfalls. Zudem profitiert der Hahn von Fracht, die vor Corona als Beiladung von Passagierflügen geflogen worden wäre.

Die Frankfurter Luftfahrtspezialistin Yvonne Ziegler sagt, dem Hunsrück-Airport könnte sein florierendes Frachtgeschäft helfen. Letztlich hänge alles von den strategischen Interessen des Konzerns HNA ab, der vom chinesischen Staat mit gesteuert werde: „Für die Hahn-Geschäftsführung ist diese Abhängigkeit keine lustige Situation“, ergänzt die Professorin für Betriebswirtschaftslehre. Womöglich werde der Hahn von der Volksrepublik China auch als ein Brückenkopf ihrer Strategie „Neue Seidenstraße“ zur Ausdehnung ihres internationalen wirtschaftlichen und politischen Einflusses gesehen.

Der Hahn gehört zu 82,5 Prozent dem chinesischen Großkonzern und zu 17,5 Prozent Hessen. Seit dem Sommer 2020 laufen an dem Flughafen auch Ermittlungen, die laut Staatsanwaltschaft Koblenz „in jedem Fall“ bis ins kommende Jahr 2021 reichen werden. Die Hahn-Geschäftsführung will sich hierzu nicht äußern – und auch generell keine Fragen zur Situation des Flughafens beantworten.

Im Juli 2020 gab es eine Razzia bei „sechs am Flughafen Hahn tätigen Gesellschaften“. Ermittlungen gegen drei „Verantwortliche“ begannen in Zusammenarbeit mit der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes in Trier. Das Schweigen zu Details erklärt die Staatsanwaltschaft Koblenz mit Hinweis auf das Steuergeheimnis und „um den Ermittlungszweck nicht zu beeinträchtigen“.

Das rheinland-pfälzische Innenministerium in Mainz bekräftigt, vor weiteren Millionen-Beihilfen für den Hahn müssten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Koblenz geklärt sein. 2019 und 2020 sei kein Steuergeld mehr geflossen. Gemäß EU-Recht darf der Airport ohnehin nur noch bis 2024 staatliche Subventionen bekommen.

Und der Minderheitsgesellschafter Hessen? Das Finanzministerium in Wiesbaden teilt mit: „Wir haben kein strategisches Interesse am Flughafen Hahn.“ Die Landesbehörde unterstreicht auch: „In der Vergangenheit ist Hessen nicht für die Verluste am Flughafen Hahn aufgekommen.“ Das Bundesland sei weiterhin bereit, seinen Anteil an einen geeigneten Investor zu verkaufen.

 Die Uhr eines ehemaligen Einkaufszentrums des damaligen US-Stützpunktes am Flughafen Hahn steht auf fünf vor zwölf.

Die Uhr eines ehemaligen Einkaufszentrums des damaligen US-Stützpunktes am Flughafen Hahn steht auf fünf vor zwölf.

Foto: dpa/Thomas Frey

Der Hunsrück-Airport ist einst ein US-Militärflughafen gewesen. Anwohner Schmidt sagt: „Wir sind mit den Amerikanern aufgewachsen. Als sie gegangen sind, war es, als ob ein Stück Familie fehlen würde.“ Ein Teil der einstigen Wohngebäude von US-Soldaten ist bis heute nicht renoviert. Bäumchen wachsen aus den Mauern, Fenster sind kaputt, eine Uhr draußen steht auf fünf vor zwölf, immer.

(dpa)
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