Lasst es rocken!

Man stelle sich mal vor: Das bettelarme Saarland leistete sich einen Pop-Staatssekretär. Und die Ministerpräsidentin deklarierte Pop zur Landesaufgabe. Hohn und Spott wären garantiert. Wie 2003, als Sigmar Gabriel zum Popbeauftragten der SPD avancierte, um die alten Sozis jünger scheinen zu lassen.

Keine nachhaltige Erfolgsgeschichte, wie man weiß. Andererseits: Heute ist Gabriel Vizekanzler. Schon das lehrt: Man sollte auch scheinbar verrückte Ideen ernst nehmen. Das gilt umso mehr für das "Home of Pop", das gestern der saarländische PopRat vorstellte.

Manche werden kritteln, das sei bloß eine Riesenspinnerei von ein paar Musikern, Festivalmachern und Studenten. Wer aber mal vorbehaltlos darauf blickt, kann darin ein weithin durchdachtes Konzept zur systematischen Förderung der Popularkultur entdecken, das echte Aufmerksamkeit aufs Land lenken könnte. Schauen wir aber mal genauer hin. Was soll das "Home of Pop" eigentlich sein? In Kürze: ein Zentrum für populäre Kultur rund um den Nukleus Musik. Dafür sollen Studios, Konzerthalle und Open-Air-Flächen entstehen; das "Home of Pop" eben. Und das sollte auch der Ort sein, wo junge Leute Helfer für ihre Ideen finden: ein Umsetzungskatalysator, "Pop-Inkubator" getauft. Einzigartig wäre der - nicht nur in Deutschland. Aber, wohin damit? Aufs Gelände des Weltkulturerbes Völklinger Hütte zum Beispiel. Industriekultur und Kulturindustrie ließen sich dort in spektakulärer Kulisse konzentrieren. Lächerlich, werden einige entgegnen: Völklingen ist doch nicht Liverpool. Das aber verkennt, dass es auch hier im Land Einige gibt, wie den Festivalmacher Thilo Ziegler ("Electro Magnetic", "Rocco del Schlacko ") oder das mehrfach auf Nummer eins platzierte Hip-Hop-Duo "Genetikk", die längst top im Pop-Geschäft sind. Und genau solche Leute haben dieses Konzept erdacht. Lohnenswert sollte das fürs Saarland allemal sein. Denn wer diese Kultur fördert, holt sich quasi zwangsläufig junge, hoch kreative Menschen ins Land. Ein Segen wäre das für unsere zusehends vergreisende Region.

Ehrlicherweise muss man aber auch über die Finanzen reden: Soll das Saar- zum Popland werden, braucht es nicht allein nette Worte aus der Politik, sondern einige Millionen Euro. Ganz schön tollkühn in Zeiten, wo selbst für Lehrer und Polizisten zu wenig Geld ist? Nein, denn wenn man das "Home of Pop" als positiven Wirtschafts- und Attraktivitätsfaktor begreift, sieht das schon anders aus. Eines jedenfalls ist gewiss: Gemessen an dem, was bislang hierzulande als Leuchtturmprojekt gehandelt wurde, sei es nun das Feriendorf am Bostalsee oder die Saurier-Hallen in Reden, strahlt das "Home of Pop" wie eine ganze Leuchtturm-Batterie.