„Lady“ Suu Kyi greift nach der Macht in Myanmar

Rangun · In ihrem Wahlkreis Kwahmu wird Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi empfangen wie ein Star. "A May Suu", skandiert die Menge, "Mutter Suu". Für viele in ihrem Volk in Myanmar ist die zierliche Oppositionsführerin die große fürsorgliche Hoffnungsträgerin.

Nicht "die Lady", wie sie wegen ihrer Anmut auch oft genannt wird. Vor den Wahlen am 8. November warten oft Tausende darauf, dass Suu Kyi zu ihnen spricht. Sie tragen T-Shirts und Stirnbänder im Rot ihrer Partei, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD).

Ein ganzes Volk scheint seine Hoffnungen in diese grazile Person zu setzen. Und die sind groß. Über fünf Jahrzehnte lang musste Myanmar eine Militärjunta erdulden. Erst seit 2011 hat das Land mit mehr als 50 Millionen Einwohnern wieder eine zivile Regierung. Doch sie besteht vorwiegend aus Militärs, die die Uniform ausgezogen haben. Die Wahlen in diesem Jahr sind die erste echte Chance, das zu ändern. Der Oppositionspartei NLD wird ein Erdrutschsieg vorausgesagt - wie 1990, doch damals ignorierte das Militärregime das Wahlergebnis einfach. Für Suu Kyi wäre das der Höhepunkt ihres Kampfes für Demokratie, der 1988 mit Studentenprotesten begann. Das Präsidentenamt aber bleibt ihr verwehrt. Die Verfassung verbietet es, wenn enge Verwandte Ausländer sind. Und sie war mit dem Briten Michael Aris verheiratet, der 1999 starb. Wegen der Ausländerklausel hatte die NLD auch an den ersten vom Militärregime angesetzten Wahlen 2010 nicht teilgenommen.

Eine Parlamentsabstimmung im Sommer änderte an dieser Klausel nichts. In Myanmar wird das Staatsoberhaupt vom Parlament gewählt. Wenn die NLD dort die erwartete satte Mehrheit bekommt, hat sie das Sagen. Doch wen die Partei für das Amt vorsieht, bleibt ein wohlgehütetes Geheimnis. Das Volk jedenfalls vertraut offenbar Suu Kyi, der Tochter des 1947 ermordeten Unabhängigkeitshelden Aung San.

Aus dem Ausland indes wird die Kritik an der Friedensnobelpreisträgerin lauter. Denn die NLD hat nach der Hetze nationalistisch-buddhistischer Mönche nachgegeben und keine Kandidaten aufgestellt, die sich zum Islam bekennen. Zudem äußerte sich die Partei nur sehr vage zum Schicksal der systematisch verfolgten Minderheit der muslimischen Rohingya, von denen viele Schutz in Malaysia oder Indonesien suchen. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch " und sogar das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama , kritisierten Suu Kyi dafür offen.

Dabei setzt Suu Kyi eigentlich auf Dialog. Vor der Wahl betonte sie auffallend oft: "Wir wollen Versöhnung, niemand muss Angst haben vor einem Sieg der NLD." Die Politikerin weiß, dass sie an den Generälen nicht vorbeikommt. Die Wirtschaft des Landes ist eng mit dem Militär verstrickt, das viele Betriebe hat. Ein Viertel der 440 Parlamentssitze ist zudem weiterhin für das Militär reserviert, sie stehen gar nicht erst zur Wahl. Aber Kooperation ist in Suu Kyis Augen die einzige Chance, etwas bewegen zu können. Auch wenn die NLD mit nur vagen Vorschlägen zur Politik aufwartet und nur um Suu Kyi selbst kreist, hat sie das Volk auf ihrer Seite.

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