Rettet uns die Popkultur?

Saarbrücken · Sehr viel vor hat der „PopRat Saarland“: Er will die Popkultur stärken, das Saarland für auswärtige junge Leute interessant machen und die Kreativwirtschaft massiv stärken. Gestern hat das ehrgeizige Gremium sein Konzept vorgestellt. Die Landesregierung zeigt sich zumindest „dankbar“ und „neugierig“.

 Ein Festival, das junge Leute auch von jenseits der Landesgrenze zu uns lockt: „Electro-Magnetic“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Foto: Becker & Bredel

Ein Festival, das junge Leute auch von jenseits der Landesgrenze zu uns lockt: „Electro-Magnetic“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

"Wir haben das Baby jetzt in die Welt gesetzt - und hoffen, dass es geliebt wird", sagt Peter Meyer. Er ist einer der 23 Mütter und Väter des ehrenamtlichen "PopRates Saarland" (wir berichteten). Im Oktober hatte das Gremium aus Kulturschaffenden - Veranstalter, Musiker, Journalisten - sich und seine Mission erstmals vorgestellt: das Saarland, verkürzt gesagt, zum Popland zu machen und es so vor dem demografischen Wandel in Richtung Vergreisung zu retten. Insgesamt will der PopRat die saarländische Popkultur - gemeint ist nicht nur Musik, sondern ziemlich alles zwischen Industriekultur und Design, Urban Art und Mode, Musik und Film - fördern und national wie international bekannter machen. Mit der Folge, dem Saarland ein moderneres Image zu verpassen, die Kreativwirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen - nicht zuletzt für junge Leute von außerhalb. Die wuchtige These des Konzepts: "Das Saarland braucht die Popkultur zum Überleben!"

Gestern nun hat der Rat sein "Baby" vorgestellt, und es ist, nach einer Schwangerschaft von 22 Monaten, kein schmächtiger Säugling, sondern ein Wonneproppen mit Selbstbewusstsein. Meinrad Maria Grewenig , Chef des Völklinger Weltkulturerbes und zusammen mit Meyer Leiter des Rates, nennt es einen "inhaltlich neuen, umfassenden Wurf", Meyer, im Brotberuf Pressechef des Saarländischen Rundfunks, spricht von einer "Vision" und einem "Geschenk für das Saarland", in der Hoffnung, "dass das Land es umsetzt". Das Konzept könne "das Saarland zum Leuchtturm der Popregion in Mitteleuropa" machen.

Unter dem Dach eines Instituts namens "Home of Pop" sollen einige Initiativen vorangetrieben werden: darunter ein "Studiengang Popkultur ", eine mögliche Zusammenarbeit der Uni des Saarlandes, der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), der Kunsthochschule (HBK) und der Musikhochschule (HfM). Ein weltweit ausgeschriebener Wettbewerb soll Popkulturprojekte ins Saarland locken; an das "Home of Pop" soll auch ein Pop-Verlag angedockt werden, in dem Magazine, Dokumentationen, wissenschaftliche Arbeiten und auch Bildbände erscheinen. Gedruckt ist schon die Nullnummer von "Home of Pop - Magazin für neue Kultur", in dem das Konzept des PopRates vorgestellt wird; das erste reguläre Heft der halbjährlichen Zeitschrift soll im Januar beim Gollenstein Verlag erscheinen und ist dann in Buchhandlungen und per Abo zu haben. Jede Ausgabe, geplante Ausgabe 3000 Exemplare, soll von einem vornehmlich saarländischen Künstler gestaltet werden. Auch ein Internationales Pop-Archiv ist angedacht, ein Exportbüro für saarländische Popkultur , ein Museum für Pop-Artwork und eine Eventstätte für bis zu 800 Menschen.

Das "Home of Pop", als Ort hat man die Völklinger Hütte im Hinterkopf, soll neben Büros auch Proberäume und Studios beherbergen (siehe Infografik). Diese Pop-Heimat wünscht sich der Rat als "zehnköpfige, kreative Stabsstelle der Landesregierung oder aber als eine landeseigene Gesellschaft". Idealerweise soll dem "Home of Pop" sogar ein Popkultur-Staatssekretär vorstehen - um zu dokumentieren, sagt Meyer, wie ernst es der Landesregierung mit dem Pop-Konzept als Landesverjüngung ist. Was das alles kosten könnte, will das Gremium noch nicht beziffern.

Was hält nun die Landesregierung von dieser Idee? Am Mittwoch hatte die Gruppe ihr Konzept der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ). Sie teilte gestern mit, sie sei "dankbar, dass sich eine Gruppe von überzeugten Saarländerinnen und Saarländer mehr als zwei Jahre Gedanken um die Zukunft ihres Landes gemacht und daraus ein Konzept entwickelt hat". Das Konzept mache neugierig und werde in der Kulturlandschaft für Diskussionen sorgen. "Ich werde das Konzept nun den zuständigen Ministerien zur Bewertung zukommen lassen." Gemeint sind das Kulturministerium und das Wirtschaftsministerium. Wenn die ihre Einschätzung abgegeben haben, heißt es aus der Staatskanzlei, werde sich der Ministerrat damit beschäftigen.

Nur: Sollte die Landesregierung das Konzept unterstützen und sich nun "Pop" groß und bunt auf die Fahnen schreiben, worauf die Macher hoffen - erweckte das dann nicht den Eindrucke einer staatlich abgesegneten Popkultur , was kaum nach Innovation klingt? Man erinnert sich mit Grauen an einen tanzenden Sigmar Gabriel in seiner früheren Funktion als Pop-Beauftragter. "Nein", sagt Meyer, "die Szene muss sich dann nicht gegängelt fühlen", der PopRat säße mit der Politik am "Entscheidertisch", da werde man "sehr sensibel" vorgehen. Sensibel wird der PopRat auch sein müssen, wenn er, sollte die Politik das Konzept finanziell unterstützen, einen Etat besitzt, um, wie geplant, Künstler, Musiker und auch Veranstalter zu unterstützen; denn aus diesen Berufsgruppen befinden sich naturgemäß auch einige Kulturschaffende im Gremium. Da läge Transparenz, wer womit gefördert wird, schon im Eigeninteresse der idealistischen Räte.

Konzept und Mitglieder des PopRates nachzulesen unter: www.poprat.saarland

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