Vermieten oder versenken? Was wird aus der ISS nach Matthias Maurer?

Analyse | Moskau/Washington · Seit mehr als 20 Jahren kreist die Raumstation um die Erde. Bald besucht sie der aus dem Saarland stammende Astronaut Matthias Maurer. Aber 2024 soll die internationale Zusammenarbeit enden. Was passiert danach?

Die Raumstation ISS wird zum Spielball der Politik
Foto: dpa/Nicole Fischer

Wenn der in St. Wendel geborene  Astronaut Matthias Maurer im Herbst zur Internationalen Raumstation fliegt, dann ist die Zukunft der ISS ungewisser denn je. Russland hat zuletzt wenig Interesse gezeigt an einem Weiterbetrieb. Moskau will eine eigene Station ins All schicken. Wann? Das ist noch unklar. Andere Länder sollen dort allenfalls noch zu Gast sein, aber nicht mitreden dürfen. Die ISS ist längst zum Spielball in den von vielen Konflikten belasteten amerikanisch-russischen Beziehungen geworden. Wie angespannt die Zusammenarbeit mittlerweile ist, zeigen die Drohungen des Chefs der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos. „Entweder arbeiten wir zusammen – und dann müssen die Sanktionen sofort zurückgenommen werden“, sagte Dmitri Rogosin kürzlich. Oder wenn nicht, dann sei Washington dafür verantwortlich, dass Moskau aus der Kooperation aussteige.

Der neue Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa, Bill Nelson, versucht zu besänftigen. Er habe schon mehrere „sehr freundliche“ Gespräche mit Rogosin gehabt, sagte Nelson jüngst in einem Interview. „Ich möchte, dass die Russen unsere Partner bleiben. Sie sind ein sehr wichtiger Partner bei der ISS.“

Aber Russland ärgert sich schon lange über US-Strafmaßnahmen, von denen sich russische Raumfahrtunternehmen auf den internationalen Märkten ausgebremst sehen. Dabei geht es um lukrative Aufträge, um die sich die Russen gebracht sehen. Die USA hatten Strafmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ostukraine verhängt. Auch Rogosin selbst wurde auf die US-Sanktionsliste gesetzt.

Immerhin bleiben die Chefs der beiden großen Raumfahrtbehörden im Gespräch. Und es solle auch Fortschritte bei den Verhandlungen über Lieferungen russischer Raketenantriebswerke an die USA geben, hieß es zuletzt. Erst vor kurzem hat Russland ein neues Forschungsmodul mit dem Namen „Nauka“ (Wissenschaft) zur ISS geschickt. Es sollte eigentlich schon seit Jahren im All arbeiten. Dass es nun doch vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur abgehoben ist, deuten einige Beobachter als Zeichen, dass Russland an der ISS festhalten könnte.

Ein Grundstein für den Außenposten der Menschheit in 400 Kilometer Höhe wurde am 20. November 1998 gelegt, als eine russische Proton-Rakete das erste Bauteil ins All brachte. Bis 2024 haben die internationalen Partner ihre Zusammenarbeit verabredet. Roskosmos teilt nun mit: Eine Entscheidung über die Zukunft werde nach 2024 getroffen auf der Grundlage des technischen Zustands der einzelnen Module, die „schon größtenteils das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben“. Neben den USA, Russland, Kanada und Japan sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Raumfahrtagentur Esa an der ISS beteiligt.

Manche sehen eine Kommerzialisierung als Zukunftsperspektive für die ISS – nach dem Motto: vermieten statt versenken. So soll es schon bald zwei Missionen mit Weltraumtouristen geben. Für Dezember ist ein Sojus-Flug mit zwei japanischen Besuchern zur Station geplant. Und im Januar sollen drei Gäste aus den USA, Israel und Kanada mit einem „Crew Dragon“ der privaten Firma SpaceX zur ISS starten. Bereits im Oktober will eine russische Filmcrew ins All fliegen und in den Modulen drehen.

Nasa und auch der kommerzielle Partner Boeing betonen anders als Russland, dass die ISS noch bis mindestens 2028 aber auch über 2030 hinaus einsatzfähig sei. „Meiner Meinung nach wäre es eine Tragödie, wenn wir nach all dieser Zeit und all diesen Anstrengungen die niedrige Umlaufbahn der Erde verlassen und das Territorium aufgeben würden“, meinte Jim Bridenstine, vor Nelson Chef der Nasa.

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