Unbeschriebenes Blatt mit Selbstbewusstsein

Berlin/Trier · "Barley", englisch ausgesprochen wie "Harley". Nicht wie "Loreley". Die Berliner Journalisten erkundigten sich erst einmal nach diesem Detail. Sigmar Gabriels neue SPD-Generalsekretärin Katarina Barley ist in der Hauptstadt ein unbeschriebenes Blatt, aber dafür machte sie gestern bei ihrer Vorstellung nach einstimmiger Nominierung durch den SPD-Parteivorstand einen überaus souveränen Eindruck.

Beobachtern fiel der sehr selbstbewusste Blick auf, den sie mehrfach ganz ruhig vor allen Kameras auf ihren künftigen Chef legte. "Ich glaube", sagte die zierliche 46-Jährige fast schon gönnerhaft über Gabriel, "ich mag Menschen mit Ecken und Kanten, die man nicht so leicht an die Wand nageln kann." Der SPD-Chef guckte etwas verlegen und fand schnell einen Witz. "Da bräuchte man bei mir auch ziemlich lange Nägel."

Die Bundestagsabgeordnete aus Trier ist eine Erfolgsjuristin, arbeitete als Medizinrechtlerin für eine renommierte Hamburger Kanzlei, als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Bundesverfassungsgericht und Richterin. Zwei Semester ihres Studiums verbrachte sie in Paris, wo sie nicht nur ein Diplom in französischem Recht erwarb, sondern auch den späteren Vater ihrer beiden Söhne kennenlernte.

Die Tochter eines englischen Redakteurs der Deutschen Welle ist eine Überraschung in der Hauptstadt, die auf Generalsekretärsebene allerdings schon einiges gesehen hat. Peter Tauber bei der CDU etwa, den FDP-Mann Christian Lindner oder für die CSU Alexander Dobrindt . Gabriel nannte die Gründe, warum er Barley für geeignet hält. Keiner davon wirklich zwingend: Weil sie einen Werdegang vorweisen könne, wie man ihn nicht alle Tage finde. Weil sie nach nur zwei Jahren als Bundestagsabgeordnete schon Justiziarin sei. Und außerdem habe ihn begeistert, dass Barley, eine gebürtige Kölnerin, sich in der rheinland-pfälzischen Wahlheimat kommunalpolitisch engagiert habe. Landratskandidatin war sie in Tier-Saarburg, unterlag aber.

Es gab natürlich heikle Punkte in der ersten Pressekonferenz - etwa das Schicksal ihrer Vorgängerin Yasmin Fahimi, die von Gabriel ziemlich gemobbt wurde. Aber Barley blieb sehr ruhig. Sie kenne Gabriel nicht erst seit gestern und habe ein gutes Gefühl. Und auch die glitschige Frage, ob sie so wie er mit Pegida-Leuten geredet hätte oder wie Fahimi eher nicht, parierte sie. Das sei im Nachhinein schwer zu beantworten, generell aber finde sie, dass man die Rechten in ihren Foren nicht allein lassen dürfe. So halte sie es auch auf Facebook . Wenn sie am ersten Tag überhaupt schon so etwas wie eine Botschaft hatte, dann genau diese: mit den Menschen in Kontakt treten und bleiben. Gabriel nennt das "dahingehen, wo es stinkt". Hier stimmt die Chemie.

Auch die Partei scheint zufrieden mit der Auswahl. Lob kam von ihrem Landesverband und aus der Fraktion. Eine überwältigende Wahl im Dezember auf dem Parteitag ist also absehbar, das neue Dreamteam der Sozialdemokratie steht. Dann wird "Barley wie Harley" oberste Bundestagswahlkämpferin der SPD werden. Sie habe das noch nie gemacht, bekannte sie. "Ich auch nicht", ergänzte Sigmar Gabriel , ihr möglicher Spitzenkandidat.

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