Die Christsozialen demontieren sich selbst

Kreuth. Was ist nur mit der CSU los? Die Tradition ihrer Klausuren in Kreuth reicht lange zurück, doch es gab wohl noch keine Wintertagung, bei der die zuvor lancierten zentralen Projekte Schritt für Schritt demontiert wurden. Kraftvolle Politik sieht jedenfalls anders aus

Kreuth. Was ist nur mit der CSU los? Die Tradition ihrer Klausuren in Kreuth reicht lange zurück, doch es gab wohl noch keine Wintertagung, bei der die zuvor lancierten zentralen Projekte Schritt für Schritt demontiert wurden. Kraftvolle Politik sieht jedenfalls anders aus.Bei ihrer ersten Kreuther Klausur als Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag wollte Gerda Hasselfeldt der NPD (und anderen verfassungsfeindlichen Parteien) den Geldhahn zudrehen. Doch der hochrangige Gast des Treffens, Andreas Voßkuhle, machte ihr einen Strich durch die Rechnung: Er sei skeptisch nicht nur mit Blick auf ein erneutes NPD-Verbot, sondern auch bei einer Einschränkung der staatlichen Parteienfinanzierung, erklärte Voßkuhle beim "Kamingespräch" der CSU. Zu allem Überfluss schlug der christsoziale Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in die gleiche Kerbe. Dass er wenig hält von dieser Idee, machte er pünktlich zum Klausur-Auftakt via Interview deutlich - und ließ Hasselfeldt im Kreuther Nieselregen stehen.

Zweites Beispiel: Mit der schneidigen Forderung nach Rauswurf reformunfähiger Staaten aus der Euro-Zone wollte die Partei beim breiten Publikum punkten. Doch der eingeladene Experte, der Chef des Euro-Rettungsschirms Klaus Regling, redete diplomatisch an diesem Populismus vorbei. Und auch die eigenen Euro- und Europa-Fachleute hielten mit ihrer Kritik an dem Vorstoß nicht hinterm Berg.

Auf die Zustimmung von Arbeitnehmern und künftigen Rentnern zielte der Querschuss gegen die eben in Kraft getretene "Rente mit 67". Doch dann hieß es in Kreuth, Parteichef Horst Seehofer sei teilweise missverstanden worden. Man stehe selbstverständlich zur Absenkung des Renteneintrittsalters.

Zu der Serie von Rohrkrepierern zählt auch das Herumeiern im Fall Christian Wulff. Mit Händen ist in Kreuth zu greifen, dass die CSU längst kein Fanclub des Bundespräsidenten mehr ist. Aber sie hat ein massives Interesse daran, dass er im Amt bleibt, denn eine Neuwahl des Staatsoberhaupts käme der gesamten Union völlig ungelegen. Vor allem dann, wenn der SPD-Kandidat wieder Joachim Gauck hieße. Und was ist eigentlich davon zu halten, dass die Landesgruppenvorsitzende empfiehlt, Wulff und die "Bild"-Zeitung sollten untereinander klären, was wirklich war? Das kann doch nur heißen: Der CSU ist es erstmal wurscht, ob der Bundespräsident die Wahrheit sagt oder nicht.

Dasselbe Lavieren beim Thema Karl-Theodor zu Guttenberg. Dass viele - wahrscheinlich die meisten - aus der CSU-Führung den vorerst gescheiterten Freiherrn eigentlich nicht mehr im Nacken sitzen haben wollen, wird überdeutlich. Doch mit Rücksicht auf die verbliebenen "KT"-Fanclubs an der Basis und in der Wählerschaft tut man so, als rolle man ihm den roten Teppich aus. Fragezeichen bleiben.

Die Kreuther Tagung zeichnet das Bild einer Partei, die sich selbst mit Schadensbegrenzung, Machtsicherung und Populismus so auslastet, dass für große Projekte und Visionen weder Zeit noch Platz ist. Es hilft der CSU nur wenig, dass es um ihre Schwesterpartei und um den Koalitionspartner noch schlechter bestellt ist. Wieder einmal sei Franz Josef Strauß zitiert: Wer es allen recht machen will, ist nicht everybody's darling, sondern bald everybody's Depp. Die Christsozialen sollten das bedenken.

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