An Arbeit ist kein Mangel mehr

Meinung · Der deutsche Arbeitsmarkt ist robust, und er wird es bleiben. Von Krise und Arbeitplatz-Abbau ist wenig zu spüren. Seit dem Wiedervereinigungs-Boom Anfang der 1990er Jahre war die Lage nicht mehr so gut. Sogar der Winter, der vielen Menschen, die draußen arbeiten, zumindest vorübergehende Arbeitslosigkeit bescherte, hat seinen Schrecken verloren

Der deutsche Arbeitsmarkt ist robust, und er wird es bleiben. Von Krise und Arbeitplatz-Abbau ist wenig zu spüren. Seit dem Wiedervereinigungs-Boom Anfang der 1990er Jahre war die Lage nicht mehr so gut. Sogar der Winter, der vielen Menschen, die draußen arbeiten, zumindest vorübergehende Arbeitslosigkeit bescherte, hat seinen Schrecken verloren. Das liegt nicht nur am Saison-Kurzarbeitergeld, das bewirkt, dass Arbeitnehmer in den Bauberufen bei schlechtem Wetter nicht mehr entlassen werden müssen. Hinzu kommt: Offensichtlich ist in den Betrieben ausreichend Arbeit vorhanden, um auch in den witterungsbedingt ungemütlichen Monaten die Mitarbeiter zu beschäftigen.Die Zahl der Erwerbslosen sinkt übrigens nicht etwa deshalb, weil viele Menschen sich resigniert bei den Behörden abmelden mit der Überlegung, es lohne sich ja doch nicht, die Arbeitsagentur oder das Jobcenter zu bemühen, weil es sowieso keinen passenden Arbeitsplatz gibt. Vielmehr nimmt zugleich - spiegelbildlich zum Rückgang der Arbeitslosigkeit - die Zahl der Beschäftigten zu. Angebot und Nachfrage stehen in einem gesunden Verhältnis zueinander.

Deutschland gelingt es offenbar erfolgreich, einen unseligen und teuren Trend umzukehren. Über Jahrzehnte wuchs der "Sockel" der Arbeitssuchenden nach jeder Rezession spürbar und schmolz in guten Zeiten nur unwesentlich ab. Das scheint vorbei zu sein. Zu verdanken haben wir dies in erster Linie den Arbeitsmarkt-Reformen, die seinerzeit von der rot-grünen Bundesregierung angeschoben wurden. Dazu zählen das Arbeitslosengeld II, die Arbeitnehmer-Überlassung (Leiharbeit), die Zeitarbeit, aber auch die Mini- und die Midi-Jobs, die in einem Übergangs-Korridor zwischen 401 und 799 Euro das Hineingleiten in einen regulären sozialversicherungspflichtigen Job erleichtern sollen. Der Arbeitsmarkt wurde den Bedürfnissen der Unternehmen nach Flexibilität angepasst, in der Folge entstand mehr Beschäftigung. Dadurch weitete sich allerdings auch der Niedriglohn-Sektor erheblich aus - vor allem für gering Qualifizierte.

Die Entwicklung zeigt noch klarer als bisher, dass nur eine gute Aus- und eine ständige Weiterbildung vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schützen können. Da muss viel mehr geschehen. Arbeitsagenturen und Jobcenter, aber auch die Unternehmen selbst dürfen sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen und müssen alle Ressourcen mobilisieren. Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften wird auch in einer abflauenden Konjunktur hoch bleiben. Denn in den kommenden Jahren gehen viele in Rente, während weniger junge Mitarbeiter nachwachsen. Auch die alternde Gesellschaft selbst wird auf allen Qualifikations-Stufen für hohen Personalbedarf sorgen. Die Zeiten chronischer Unterbeschäftigung dürften zu Ende gehen.

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