Auf dem richtigen Weg

Die Prognose klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Fünf Jahre nach dem Tief erhebt sich die EU wie Phönix aus der Asche der Finanzkrise und erreicht im nächsten Jahr – angeblich – wieder das Niveau vor dem Absturz.

Dass so viel Optimismus in Zeiten des Wahlkampfes Züge von Eigenlob hat, muss man nicht betonen. Denn natürlich bemüht sich die Kommission, die Zahlen so zu deuten, dass die vielfachen Hilfs- und Rettungsmaßnahmen gewürdigt werden.

Doch das Lob ist in Wahrheit gar kein Lob. Nur eine kleine Zahl der Mitgliedstaaten bleibt derzeit mit seiner Neuverschuldung unter der Drei-Prozent-Höchstmarke. Noch dramatischer sieht die Bilanz beim Anteil des Schuldenbergs an der Jahreswirtschaftsleistung aus: Nicht einmal das Zugpferd Deutschland wird in absehbarer Zeit die gesetzte 60-Prozent-Marke unterschreiten. Dass die EU bald wieder so stark sein könnte wie vor dem Ausbruch der Krise, ist kein Trost. Denn die Schuldenberge erdrückten schon vor Jahren eine wirkliche ökonomische Gesundung.

Gleich drei Staaten konnten den Rettungsschirm verlassen, um wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Ende des Jahres will sogar Athen folgen. Das klingt alles gut, birgt aber die Gefahr zu glauben, man habe das Schlimmste überstanden. Dem ist nicht so. Die überfälligen Reformen werden die betroffenen Staaten noch auf Jahre hinaus drücken. Der nur allzu durchsichtige Versuch, sich besser zu reden, als man ist, führt derzeit vor allem dazu, an ein Ende des Sparzwangs zu denken. Schon tischt Frankreichs neuer Regierungschef wieder Forderungen nach einer Abwertung des Euro auf. Das aber war schon bei jedem seiner Vorgänger Unsinn.

Wenn die Krise etwas gezeigt hat, dann die große Bedeutung einer unabhängigen Zentralbank, die Geldpolitik nicht nach tagespolitischer Stimmung macht. Frankreich muss seine Reformen selber durchsetzen und durchstehen. Wie andere auch. Nein, es gibt keinen Grund zur Entwarnung. Die wirtschaftliche Entwicklung wird zwar nicht mehr schlechter, aber gut ist sie noch lange nicht. Denn die Arbeiten an der Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit, an den Korrekturen des Arbeitsmarktes und der Industriestruktur haben gerade erst begonnen.

Die Reformen waren richtig. Aber sie werden erst dann wirklich wirken, wenn sie durchgezogen wurden. Europa mag da auf einem guten Weg sein. Der ist jedoch noch lange nicht zu Ende. Daher darf der Reformdruck nicht kleiner werden.

Diese Union wollte einmal die ökonomisch innovativste Region der Welt werden. 2010 hat sie dieses Ziel verpasst. Ob sie es bis 2020 erreichen kann, darf bezweifelt werden - so lange nationale Politiker gleich beim ersten Sonnenschein den Regenschirm wieder wegwerfen.

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