Macron muss jetzt liefern Historische Chance für Reformen in Frankreich

Frankreich ist kein Land, das sich reformieren lässt, hat Präsident Emmanuel Macron neulich bei einem Besuch in Rumänien gesagt. Ist es eine Vorahnung, dass er an seinem Wahlversprechen scheitern könnte? Oder hat er das gesagt, um sich in fünf Jahren als Held und Bezwinger eines unbeugsamen Volkes feiern zu lassen? Tatsache ist, Macrons Aussage stimmt nur zum Teil. Zugegeben: Frankreich ist ein streik- und streitfreudiges Land. Franzosen lieben die Debatte, die Konfrontation von Meinungen.

Die Zeichen für Reformen in Frankreich stehen gut
Foto: SZ/Robby Lorenz

Unterschiedliche Auffassungen sind sehr wichtig, aber in der sozialpolitischen Debatte überwiegt die Profilierung der Verhandlungspartner. Die Suche nach einem für alle Seiten tragbaren Kompromiss ist leider zu oft zweitrangig. Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände bekriegen sich, ohne einen Schritt aufeinander zuzugehen. Noch mehr als in Deutschland transportieren die französischen Gewerkschaften politische Botschaften. Es geht oft weniger um die konkreten Arbeitsbedingungen einer Branche als um politische Leitlinien. Aus Angst, man könnte beim Nachgeben seine politischen Ideale verraten, beharrt man erbittert auf seiner Position und nicht selten sind die Fälle, in denen sich Gewerkschaftsvertreter ähnlich wie Politiker von ihrer Basis entfernt haben.

Doch auch in Frankreich ändern sich die Zeiten. Das Staatsdefizit wird größer und es gibt immer noch zu viele Menschen ohne Job, gerade viele Jugendliche haben keine Perspektive. Das Bewusstsein für die kritische Lage wächst vor allem bei der jungen Generation, die mehr als die älteren Mitbürger eigene Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit macht. Die Stunde des Pragmatismus hat geschlagen und dies könnte Macrons Reformplänen zugute kommen.

Auch politisch ist der Zeitpunkt günstig. Aus den eigenen Reihen wird es kaum einen solchen Widerstand geben, wie ihn Macrons Vorgänger François Hollande vom Linksflügel der Sozialisten ertragen musste. Die linksradikale CGT wurde von der konservativeren CFDT als größter Gewerkschaftsbund abgelöst. Die Sommerpause nutzte Macron, um mit allen Parteien zu sprechen. Das ist die richtige Strategie. Denn wer den Dialog wieder herstellt, kann mit Zugeständnissen rechnen. Hier geht es nicht um Sieg oder Gesichtsverlust. Es geht darum, dass jede Seite einstecken muss, damit es allen besser geht.

Für Macron ist es vor allem ein Drahtseilakt. Zeigt er sich gegenüber den Unternehmen zu großzügig, haben auch schwache Gewerkschaften leichtes Spiel, die Franzosen wieder auf die Straße zu bringen. Gibt es im Gegenteil ein zu großes Einknicken vor gewerkschaftlichen Forderungen, werden die notwendigen Reformen schon im Keim erstickt.

Die Chance für Veränderungen ist da und Macron hat recht, das unangenehme Thema sofort anzupacken. Denn es braucht Zeit, bis Reformen ihre Früchte tragen. Wer sich zu spät traut, wird von der Zeit überholt. Macrons Vorgänger hat dieses Zaudern eine zweite Amtszeit gekostet. Scheitert auch der neue Präsident, wird die heiße Kartoffel weitergereicht. An jene Partei, die noch nie an der Regierung war – an den rechtsextremen Front National mit Marine Le Pen.

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