Neue Strategie am Hindukusch In Afghanistan folgt Trump dem Gebot der Vernunft

Meinung · Früher war alles einfacher, vor allem für Donald Trump. Während sich sein Vorgänger im Oval Office den Kopf zerbrach über die richtige Strategie am Hindukusch, ohne erfolgreich zu sein, klopfte der Immobilienunternehmer wohlfeile Sprüche. Wann werde Amerika wohl aufhören, sein Geld in Afghanistan zu verschwenden, und sich dem Aufbau des eigenen Landes zuwenden, fragte er bei Twitter und redete einem sofortigen Rückzug das Wort. Das war Trump, der Privatmann, der für alles und jedes eine schnelle Zeile parat zu haben schien.

Neue Strategie am Hindukusch: In Afghanistan folgt Trump dem Gebot der Vernunft
Foto: SZ/Robby Lorenz

Der Präsident Trump musste einsehen, dass es in der realen Welt komplizierter zugeht als im Orbit der Kurzbotschaften mit ihren maximal 140 Zeichen. Dass es einfache Lösungen nicht gibt, schon gar nicht für Afghanistan. Dass es ein geopolitisches Vabanquespiel wäre, würde man das Land sich selbst überlassen. Die Taliban, scheinbar besiegt durch die Invasion des Jahres 2001, sind längst wieder im Vormarsch. Die Korruption grassiert, zu den Interessenkonflikten rivalisierender Warlords kommen die Interessenkonflikte miteinander konkurrierender Nachbarländer.

Es ist eine Gemengelage, mit der schon Barack Obama zu tun hatte. Geändert hat sich im Grunde nichts, weder an den Tatsachen vor Ort noch an Amerikas Antwort darauf. Bei allem Getöse: Was Trump an Konzepten anbietet, ist nichts anderes als ein Weiter-so mit leichten Korrekturen. Wie die viertausend Soldaten, die er zusätzlich an den Hindukusch zu entsenden gedenkt, das Blatt nachhaltig wenden sollen, wenn eine weitaus größere Streitmacht unter Obama an dem Versuch scheiterte, bleibt sein Geheimnis. Sieht man es nüchtern, geht es Trumps Generälen einfach darum, die Offensive der Taliban aufzuhalten, in der Hoffnung, die „Koranstudenten“ irgendwann an den Verhandlungstisch zu bringen. Auch das ist kein neuer Ansatz, sondern seit Jahren Politik der USA. Wäre Trump ehrlich, würde er sagen, dass er im Augenblick nur improvisiert.

Dennoch entspricht seine Entscheidung dem Gebot der Vernunft. Streicht der Westen die Segel, ebnet er den Islamisten nicht nur den Weg zur Macht in Kabul, er schafft auch ein Vakuum, das Terrorgruppen füllen. Zumindest in dem Punkt mag man Trump nicht widersprechen. Aber dass sich in seiner gestrigen Rede fast alles ums Militär drehte, kann nicht zuversichtlich stimmen. Fremde Mächte, die sich in erster Linie militärischer Mittel bedienten, haben in der Geschichte Afghanistans noch immer Schiffbruch erlitten. Es bedarf einer intelligenten Mischung, bei der diplomatische Geduld und wirtschaftliche Anreize mithelfen, um den alarmierenden Trend umzukehren. Nur wenn sämtliche Akteure am Tisch sitzen, inländische wie ausländische, Iran und Pakistan, Indien, Russland und China eingeschlossen, öffnen sich – vielleicht – haltbare Friedensperspektiven. In Trumps Gedankenwelt scheint Diplomatie indes nur eine untergeordnete Rolle zu spielen: Im Moment ist sogar der Posten des US-Botschafters in Kabul vakant.

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