Spaniens alte Parteien erwartet eine Ohrfeige

Madrid · . Spanien gilt als Hochburg der Korruption und die Repräsentanten der etablierten Parteien sind wenig vertrauenswürdig.

Das finden jedenfalls viele spanische Bürger, die regelmäßig zu diesem Thema vom staatlichen Meinungsinstitut CIS befragt werden. Bestechlichkeit und politische Inkompetenz sind für die Menschen gleich hinter der Wirtschaftskrise und der Jobkrise das größte Problem der Nation. Bei Protesten, die täglich irgendwo in Spanien hochkochen, gehören heute zornige Parolen wie "Politiker sind Gauner" zur traurigen Routine.

Nun droht die Abrechnung in der spanischen Vertrauenskrise: Wenn sich die Wahlforscher nicht täuschen, dann werden jene beiden großen Parteien, die bisher in Spanien die Macht unter sich aufteilten, in der kommenden Europawahl eine böse Abfuhr bekommen. Während kleine Parteien im linken wie rechten Spektrum sowie von der jungen Protestgeneration der "Empörten" gespeiste Bewegungen im Aufwind liegen. "Das Ende der Zwei-Parteien-Herrschaft", titeln die spanischen Medien.

Die im Königreich regierende konservative Volkspartei, die sich im nationalen Parlament noch auf eine absolute Mehrheit stützt, kann demzufolge bei der EU-Wahl am 25. Mai mit kaum mehr als 30 Prozent rechnen. Nicht weit entfernt von dieser schlappen Marke wird auch die sozialistische Opposition landen. Also ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber auf historisch niedrigem Niveau.

Spaniens blasser Ministerpräsident Mariano Rajoy, der von den Spaniern in einer staatlichen Umfrage zum schlechtesten Regierungschef seit Ende der Franco-Diktatur gekürt wurde, steht als Parteivorsitzender im Zentrum eines großen Bestechungsskandals seiner Konservativen. Auch seine Sparpolitik sorgt für Unmut. Der Chef der Sozialisten, Alfredo Pérez Rubalcaba, hat keinen besseren Stand: Seiner Arbeiterpartei, die bis 2011 Spaniens Geschicke lenkte, wird angelastet, das Land im Blindflug in die tiefe Schuldenkrise gesteuert zu haben. Hinzu kommt auch hier der Ruch der Vetternwirtschaft: In der südspanischen Region Andalusien, wo die Sozialisten seit Jahrzehnten herrschen, sollen hohe Genossen viele Steuermillionen in die eigenen Taschen gestopft und ihren Amigos zugeschoben haben - Gelder, die eigentlich die lahmende Wirtschaft fördern und Jobs schaffen sollten.

Von der Ohrfeige für Konservative und Sozialisten werden wohl politische Aufsteiger in Spaanien profitieren: Vor allem das linke Bündnis "Izquierda Plural" und die bürgerliche "Union für Fortschritt und Demokratie", die sich in der EU-Wahl 2009 mit ein paar Prozentkrümeln begnügen mussten, könnten nun triumphieren und sich der Zehn-Prozent-Marke nähern.

Den kleinen Rest der Stimmen werden sich, den Prognosen zufolge, regionale Parteien vor allem aus Katalonien und dem Baskenland teilen. Sowie neue sozial engagierte Krisenprotest-Bewegungen wie "Podemos" (Wir schaffen es) oder "Primavera Europea" (Europäischer Frühling). Rechtsradikale Bewegungen spielen bisher in Spanien keine nennenswerte Rolle. Wohl aber wird damit gerechnet, dass die große Fraktion der Politikverdrossenen in Spanien, wo die Stimmbeteiligung in 2009 bei 45 Prozent lag, weiter wächst. Erst recht bei der jungen Generation, in der jeder Zweite arbeitslos ist.

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