Wider den biederen Humor

Saarlouis. Sein Teufel macht den Biedermann. Trägt Melone, doch beim formvollendeten Lüften präsentiert er seine Hörner. Gestatten, Satire - dieses Symbol-Bild wurde zum berühmten Markenzeichen der Frankfurter Zeitschrift "Pardon". Ihr Cheflayouter hieß Friedrich Karl Waechter (1937-2005)

 Zeichnung von F. K. Waechter, 1987 in der "Titanic" veröffentlicht, jetzt in Saarlouis im Original zu sehen. Foto: Museum

Zeichnung von F. K. Waechter, 1987 in der "Titanic" veröffentlicht, jetzt in Saarlouis im Original zu sehen. Foto: Museum

Saarlouis. Sein Teufel macht den Biedermann. Trägt Melone, doch beim formvollendeten Lüften präsentiert er seine Hörner. Gestatten, Satire - dieses Symbol-Bild wurde zum berühmten Markenzeichen der Frankfurter Zeitschrift "Pardon". Ihr Cheflayouter hieß Friedrich Karl Waechter (1937-2005). Auf einer Skizzen-Tafel von 1964 sieht man in Saarlouis rund 50 Vorstufen bis zum finalen Teufels-Logo. Spielerisch wirkt das, zugleich offenbart sich bereits hier, in der Gebrauchsgrafik, Waechters großartige Begabung, Leichtigkeit und souveräne Treffsicherheit zu paaren. 150 Original-Blätter aus allen Schaffensperioden sind im Museum Haus Ludwig versammelt, eine abwechslungsreiche Fülle an Formaten, Techniken und Stilformen: vom "Titanic"-Titelblatt bis zur ausgereiften, auf dickleibiges handgeschöpftes Papier gesetzten Collage, von der Einfachst-Linien-Zeichnung bis zum stimmungsvoll colorierten Tusche-Werk. Die Exponate stammen aus der weit umfangreicheren Retrospektive, die das Deutsche Museum für Kunst und Zeichenkunst Wilhelm Busch in Hannover, das den Nachlass verwaltet, dem Künstler 2009 ausrichtete.

In Saarlouis kommt der Besucher nun in den Genuss einer durch vorzügliche Begleittexte sich selbst erklärenden, leicht zugänglichen Ausstellung - mit Amüsier-Garantie. Ein Eis fährt genüsslich die Zunge nach dem Eisschlecker aus, Böcke tragen Jäger wie Pferde. Es herrscht höchstes zeichnerisches und intellektuelles Niveau. Weil wir es mit einem der bedeutendsten deutschen Karikaturisten und Bilderbuchautoren zu tun haben. Dessen Motive samt schnodderiger Schrift-Kommentare mit vermeintlicher Spontaneität auf dem Papier landeten, allerdings perfekte Spuren hinterließen "wie die eines Eisläufers mit diamantenen Kufen auf einem Spiegel" - so hat es Tomi Ungerer mal ausgedrückt.

Waechter, der mit dem "Anti-Struwwelpeter" (1970) zu einer Vorzeigefigur der antiautoritäten Bewegung wurde, war nur selten Polit-Krawallmacher, pflegte die stille, poetische Satire und entwickelte Gags, die aus einer anderen, irrwitzigen Welt zu fallen schienen. Mitten hinein in eine zunächst recht bräsige, biedere Humor-Kultur der Endsechziger. Mittlerweile sind Waechters Hühner-, Wolf- und Schweine-Cartoons zum Nonsens-Klassiker aufgestiegen. Doch die Saarlouiser Schau lehrt uns, welch ein gigantischer ästhetischer Quantensprung zwischen Original und Reproduktion liegt.

Dafür überlassen uns die Ausstellungsmacher Titanic-Hefte und Bilderbücher zum unmittelbaren Vergleich - ein prima Einfall. Denn man bemerkt: Waechter verfügte über die zarteste aller zarten Aquarell-Farbpaletten, durch die Luft zu fluten scheint. Kein noch so guter Druck transportiert die Subtilität seiner Pink- und Orangetöne. Wer Waechter auch nur annähernd schätzt, muss nach Saarlouis.

Vernissage: Sonntag, elf Uhr. Ausstellung (Kaiser-Wilhelm-Straße 2, Saarlouis) bis 5. Juni, Di bis Fr von 10-13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr, Sa und So von 14-17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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