Schaafs Schaffenskrise

Bremen. Es ist guter Brauch bei Fußball-Bundesligist Werder Bremen, sich für Spiele in der Champions League fein zu kleiden. Thomas Schaaf, gern im Trainingsanzug oder Kapuzenpullover unterwegs, macht keine Ausnahme. Er trägt heute im Spiel bei den Tottenham Hotspurs (20.45 Uhr/Sky) Sakko und Schlips. Aber selten ist eine Dienstreise für den Trainer freudloser gewesen

Bremen. Es ist guter Brauch bei Fußball-Bundesligist Werder Bremen, sich für Spiele in der Champions League fein zu kleiden. Thomas Schaaf, gern im Trainingsanzug oder Kapuzenpullover unterwegs, macht keine Ausnahme. Er trägt heute im Spiel bei den Tottenham Hotspurs (20.45 Uhr/Sky) Sakko und Schlips. Aber selten ist eine Dienstreise für den Trainer freudloser gewesen. Seine mürrische Miene hat mit der Verletztenliste (Naldo, Pizarro, Silvestre, Borowski, Boenisch, Wesley, Arnautovic, Pasanen) zu tun. Schaaf muss ein halbes Dutzend Spieler aus der Drittliga-Elf mitnehmen - für Dominik Schmidt und Felix Kroos, Bruder des Nationalspielers Toni, deutet sich gar ein Debüt in der Startelf an.

Die Zahl der Ausfälle sei so noch nicht vorgekommen, sagt Schaaf. Ihm kann aber auch nicht gefallen, dass offen darüber debattiert wird, ob er noch der Richtige für eine Mannschaft darstellt, die eine Saison des Grauens spielt. Zunehmend wirkt der 49-Jährige macht- und hilflos. Schaaf erlebt die schwierigste Phase seiner fast zwölfjährigen Amtszeit. Zwar wird dementiert, dass er, der Werder als Elfjähriger beitrat, mit Rücktritt gedroht haben soll. Aber klar ist, dass die Krise auch ihn erfasst.

In Tottenham haben Trainer und Mannschaft wegen der Personalnot nicht mehr viel zu verlieren. Vom Achtelfinale brauche man trotz theoretischer Chance nicht mehr zu reden, sagte Vorstandschef Klaus Allofs. Selbst das Überwintern in der Europa League - unrealistisch. Was wird nun aus Schaaf? Entlassung vor der Winterpause? Unwahrscheinlich. Aufgrund seiner Verdienste würde ihm ein würdevoller Abschied ermöglicht - sollten die Kontrollgremien den Daumen senken.

Das Ende der Biotopen-Mär

Unverkennbar ist, dass Allofs Tendenzen der Absatzbewegung erkennen lässt. Er hat mit der Mär aufgeräumt, dass Bremen ein Biotop sei, in der die Ausnahmeerscheinung auf dem Trainerstuhl unter Artenschutz stehe. Auf die Frage, ob Schaaf seinen Vertrag bis Laufzeitende 2012 erfüllen werde, antwortete Allofs: "Von meiner Seite steht das nicht infrage. Aber wir können nicht sagen, was in drei Monaten passiert."

Ein Szenario wäre ein Rücktritt. Unverkennbar ist, dass Schaaf ein bestens entlohntes, aber kaum erziehbares Aufgebot befehligt, das in dieser Zusammenstellung keine Zukunft hat. Auch weil die Jüngeren nicht so gut mit dem oft wortkargen Trainer können? Offiziell bestätigt das keiner. "Der Trainer erreicht uns noch, das ist nicht das Problem", sagt Aaron Hunt. Dass sich Spieler untereinander nicht grün sind, ist bekannt. "Wir erleben eine Phase, in der uns die Geschlossenheit nicht auszeichnet", sagt Allofs.

Vermeintliche Führungsspieler wie Torsten Frings oder Tim Wiese wirken isoliert, Per Mertesacker oder Claudio Pizarro scheuen Verantwortung. Egomanische Grenzgänger wie Marko Arnautovic - selbst für eine funktionierende Einheit eine Belastung. Ergo ist auch der für die Kaderplanung zuständige Allofs an der Misere beteiligt. Würde Schaaf scheitern und Werder im Mittelmaß versinken, ist es keine Formsache, dass sein 2012 endender Kontrakt verlängert würde. Doch Werder ohne seine beiden seit 1999 am Werk befindlichen Baumeister? Das schien bis vor kurzem gleichbedeutend mit der Demontage der Stadtmusikanten am Bremer Marktplatz: unvorstellbar.

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