Lethargie, kein Wir-Gefühl, Schweigen und Aussitzen

Saarbrücken · Es ist eine Moment-Aufnahme, die vielen Fußball-Fans im Saarland weh tut. Der 1. FC Saarbrücken ist der einzige Saar-Club, der die Herzen so vieler Saarländer berühren kann. Doch es scheint nicht viel zusammenzupassen. Ein Wir-Gefühl gibt es beim FCS derzeit nicht.

 Die FCS-Führungsspitze Hartmut Ostermann (links) und Milan Sasic – beide polarisieren. Foto: Wieck

Die FCS-Führungsspitze Hartmut Ostermann (links) und Milan Sasic – beide polarisieren. Foto: Wieck

Foto: Wieck

Es ist eine Moment-Aufnahme, die vielen Fußball-Fans im Saarland weh tut. Der 1. FC Saarbrücken ist der einzige Saar-Club, der die Herzen so vieler Saarländer berühren kann. Doch bei den Fans , die zerstritten sind, in der Mannschaft, in der Führungsetage - es scheint nicht viel zusammenzupassen. Ein Wir-Gefühl gibt es beim FCS derzeit nicht.

Ein Beispiel: "Fans " des Regionalligisten zünden ungeachtet der Strafe mit Zuschauer-Teilausschluss für das Heimspiel gegen Trier wieder Pyrotechnik im Stadion - bei der 1:2-Niederlage in Worms. Sie leisten dem FCS einen Bärendienst. Denn der geht gegen das Urteil in Berufung, damit mehr als 594 Fans das Trier-Spiel sehen können.

Vor der Partie in Worms kündigt der FCS eine Aufholjagd an. Doch die Mannschaft vergeigt bei der Wormatia wohl die Aufstiegschance. Auf der Tribüne sitzt Milan Sasic. Vor dem umstrittenen Sportdirektor zittern viele beim FCS, trauen es aber nicht zu sagen. Während Fußball-Deutschland am Montag die schwache Leistung der Saarbrücker live im TV sehen kann, sagt er ins Mikrofon eines Reporters, da sei Qualität in der Mannschaft zu sehen. Eine Mannschaft, die größtenteils er zusammengestellt hat. Trainer Falko Götz , der vier Spieler verpflichten durfte, sieht die Leistung in Worms so: "Wir sollten die Klappe halten. Wir haben unseren Start völlig in die Hose gesetzt." Am Dienstag knallt es offenbar zwischen Sasic und Götz. Die Konsequenz: Der Trainer ist weg.

Weg ist auch Hartmut Ostermann . Der FCS-Chef und Hauptsponsor weilt wie so oft beruflich in Portugal. Er ist der Einzige, dessen Wort im Club zählt. Der Unternehmer sitzt aber oft Dinge aus. Das mag in der in Wahldekaden denkenden Politik ein Mittel sein. Im von Woche zu Woche an Ergebnissen orientierten Sport funktioniert das nicht. Eine professionelle Außendarstellung eines Traditionsclubs, der so viele Leute interessiert, geht anders.

Derzeit scheint es, als habe der "Pate von der Saar", wie das Magazin "Spiegel" den politischen Strippenzieher nannte, den Überblick verloren. So diktiert Ostermann einem Boulevard-Blatt in Bezug auf den Umzug ins Völklinger Stadion Sätze in den Block, über die viele den Kopf schütteln. "Er redet wirr", ist aus der Chefetage des Saarbrücker Rathauses zu hören.

Stadt und Land stellen Ostermanns FCS zum Nulltarif eine neue Arena hin. Die Sanierung des städtischen Ludwigspark-Stadions sollte 16 Millionen Euro kosten. Die Kosten sind auf 20 Millionen gestiegen. Stand jetzt. Der FCS muss sich an Kosten nicht beteiligen. Stadt und Land zahlen alles.

Dankbarkeit? Demut eines Präsidenten eines Viertligisten? Ostermann wirft der Stadt zwischen den Zeilen vor, sie habe die vier Millionen Mehrkosten dem FCS unterjubeln wollen, als der angefragt hat, während des Umbaus weiter im Ludwigspark spielen zu dürfen. Die Stadtpressestelle erklärt: "Die Äußerungen von Hartmut Ostermann sind für uns nicht nachvollziehbar. Deshalb werden wir sie nicht kommentieren."

Ostermann schießt in besagtem Interview auch gegen Ligakonkurrent SV Elversberg . Der will dem FCS seine Arena vermieten. Am 13. Juli 2015 meldeten dies beide Clubs als perfekt. Am 4. Februar 2016 zieht der FCS zurück, begründet dies mit fehlenden Genehmigungen. Die SVE erklärt dazu: "Die SV Elversberg hat schon vor Wochen bestätigt, dass die Stadiongesellschaft die Ursapharm-Arena nicht nur an die SVE, sondern auch an weitere Vereine vermieten darf. Dass die Ost- und der Innenbereich der Haupttribüne noch nicht nutzbar sind, hat darauf keine Auswirkungen." Ostermann behauptet: "Wir wurden gebeten, es vertraulich zu behandeln, dass sie nicht an uns vermieten können." Lügt Ostermann? "Wir können die Arena vermieten, haben das auch dementsprechend kommuniziert", antwortet SVE-Präsident Dominik Holzer auf diese Frage.

Was also bewog Mäzen Ostermann zu den Vorwürfen? Sind sie Ausdruck einer Platzhirsch-Denkweise? Dafür gibt's keinen Grund. Unter seiner Ägide stürzte der Ex-Bundesligist bis in die Oberliga ab. Das war 2007. Ostermann, der 1998 das Amt übernahm, hörte als Präsident auf. Der FCS berappelte sich, spielte ab 2010 in der 3. Liga. 2013 wurde er wieder Präsident. 2014 stieg der FCS in die Regionalliga ab.

Seit fast 20 Jahren redet Ostermann beim FCS mit, pumpt Millionen in den Club. Der hängt an seinem Tropf. Zudem besitzt der Sponsor und Präsident auch Vermarktungsrechte des Clubs. Ohne ihn geht's derzeit offenbar nicht. Kontinuität bringt sein Geld aber nicht in den Club.

"In Köpfe investieren" ist 2009 in einer FDP-Werbung sein Rat an die Politik. Er hat in seiner langen Zeit an der Saar in Köpfe investiert, ein Netzwerk aufgebaut, gibt auch Politikern Arbeit in seiner Firmengruppe. Aber beim FCS, so scheint es, investiert er allzu oft in die falschen Köpfe. Anders ist nicht zu erklären, weshalb ein Club mit einem solchen (Fan-)Potenzial wie der FCS nicht aus seiner Lethargie herauskommt und das Wir-Gefühl völlig abhanden gekommen ist.

Meinung
Zeitpunkt zum Aufhören


Von SZ-Redakteur Marcus Kalmes

Der Drittliga-Aufstieg ist so gut wie passé. Jetzt ist ein Zeitpunkt für einen Neuanfang mit neuem Trainer, der zwei Jahre Zeit für den Wiederaufbau hat. Der Ludwigspark ist 2018 fertig. Der Einzug birgt wirtschaftlich Chancen. Und er wäre das ideale Startsignal in eine erfolgreichere Zukunft.

Dafür müssten jetzt Weichen gestellt werden. Wenn er das saarländische Aushängeschild nicht nur als Visitenkarte übernommen hat, um politisch wie wirtschaftlich Vorteile zu haben, sollte Hartmut Ostermann den Club freigeben. Und zwar so, dass der FCS eine Chance hat zu überleben. Ostermann ist nicht unbedingt das Problem des Vereins - sondern der Wasserkopf, den er um sich aufgebaut hat, weil er nie da und kein Fußball-Experte ist. Er hat in die falschen Köpfe investiert. Viele von denjenigen, die dank ihm beim FCS mitreden dürfen, sollten den Zeitpunkt nutzen und gehen. Sie haben bewiesen, dass sie dem Club mehr schaden als nutzen. Sein weiterer Niedergang würde vielen Fans im Saarland weh tun. Ein geplanter Neuanfang mit kompetenten Personen würde die alte Liebe bei vielen neu entfachen.

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Keine Woche ist es her, da belegte der Regionalverband Südwest den 1. FC Saarbrücken mit einer harten Strafe: Wegen des mehrmaligen Einsatzes von Pyrotechnik darf im Heimspiel gegen Eintracht Trier am 9. April nur die Sitzplatztribüne im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion geöffnet werden. Somit können nur 594 Fans die Partie sehen. Am Montag wird über den Einspruch des FCS gegen das Urteil entschieden. Argumente für eine Abmilderung der Strafe sind weniger geworden. Denn am vergangenen Montag beim Spiel bei Wormatia Worms (1:2) wurden im FCS-Block erneut Böller sowie hinter dem Spruchband "Saarland asozial" feurige Blitzlichter gezündet. "Das Verhalten unserer Fans in Worms macht betroffen und belastet unsere Verhandlungen mit dem Verband, das verhängte Strafmaß zu verringern", sagt FCS-Präsident Hartmut Ostermann dazu. cor
Unerwartete Beförderung für Ostermanns Chauffeur


Schon nach der ersten Partie im neuen Jahr hat der 1. FC Saarbrücken einen Wechsel auf der Trainer-Position vollzogen. Falko Götz ist nach einem Krisengespräch mit Milan Sasic zurückgetreten. Sein Nachfolger ist Taifour Diane.

Von SZ-Mitarbeiter Patric Cordier

Saarbrücken. So schnell kann es gehen: Taifour Diane ist seit gestern der neue Cheftrainer des Fußball-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken. Der 43-Jährige - bisher Co-Trainer unter Falko Götz, Cheftrainer der ersten Frauen-Mannschaft und Fahrer von Präsident Hartmut Ostermann - freut sich sehr über die unerwartete Beförderung und "dass der Verein mir das Vertrauen geschenkt hat. Aber ich bin natürlich auch ein wenig aufgeregt. Ich will wie immer das Beste für Club und Mannschaft geben".

Diane ist für den Verein eine naheliegende Lösung, da er dem Trainerstab von Götz angehörte. Er kenne die Jungs, "und wenn alle bereit sind, sich gegenseitig zu helfen, wird man sehen, was man noch machen kann", sagte Diane, der den bisherigen Chefscout Mario Baric an seiner Seite hat. Eine Eingewöhnungszeit braucht Diane nicht - und er könnte auch eine längerfristige Lösung sein. "Wir legen uns da nicht fest", sagte FCS-Sportdirektor Milan Sasic.

Der bis zum Saisonende laufende Vertrag von Götz wurde gestern "in beiderseitigem Einvernehmen" aufgelöst, weil Götz "dem erforderlichen sportlichen Neuaufbau nicht im Wege stehen wollte". So heißt es zumindest in der offiziellen Stellungnahme des Vereins. Die Umstände des Trainerwechsels erscheinen aber kurios. Am Dienstagvormittag leitete Götz noch das Training. Am Nachmittag gab es ein Gespräch mit Sasic - zur Aufarbeitung der 1:2-Niederlage vom Vortag bei Wormatia Worms. Am Abend räumten dann Götz und sein Co-Trainer Rastislav Hodul ihr Büro im FC-Sportfeld. "Wir haben uns über Abläufe unterhalten, über das vergangene Spiel und über die Zukunft", sagte Sasic: "Dabei ist rausgekommen, dass Falko sagte, es sei besser, wenn er seine Position frei macht. Wir haben dem entsprochen. Das Vereinsinteresse muss im Vordergrund stehen, nicht die einzelne Person."

Götz war im Sommer gekommen, auch weil er bereit war, mit dem von Sasic zusammengestellten Kader weiterzuarbeiten, den Götz-Vorgänger Fuat Kilic in die Drittliga-Relegation geführt hatte. Götz sollte schöneren Fußball spielen lassen, durfte für die Umstellung auf sein System Filip Luksik, David Puclin, Solomon Okoronkwo und im Winter Kevin Behrens verpflichten. In der Frage nach der Ausweichspielstätte für den Ludwigspark war Götz anderer Meinung als die Verantwortlichen. Er wollte nach Elversberg statt nach Völklingen. Am Ende waren es wohl zu viele Gräben und zu wenige Brücken.

"Es ist einfach nur schade", sagte Puclin, nachdem sich Götz und Hodul gestern von der Mannschaft verabschiedet hatten. Eine Aussage gegenüber Medienvertretern wollten die Ex-Trainer nicht tätigen. Die Spieler sprachen von einem emotionalen Abschied. "Es war schwer, insbesondere Rastislav konnte nicht richtig sprechen. Ich war geschockt, und ich kann die Entscheidung auch nicht nachvollziehen. Wir hatten eine gute Vorbereitung, die Truppe war zufrieden mit dem Trainerteam", sagte Kapitän Jan Fießer. Das Sprechen fiel auch den Profis nicht leicht. "Man sagt zwar, Fußball sei ein schnelllebiges Geschäft", meinte Torwart David Salfeld, "aber Trainerwechsel sind halt doch nicht das Normalste der Welt".

Nach der Niederlage in Worms wäre es ein Wunder, wenn der FCS kommende Saison nicht erneut in der Regionalliga spielen müsste. Die dadurch erlangte frühe Planungssicherheit kann ein Vorteil sein. Diane aber will zunächst mal nur bis zum Spiel am Samstag gegen den FK Pirmasens (14 Uhr) denken: "Im Fußball hat jeder seine eigenen Ideen. Der Druck ist ein bisschen weg, und die Jungs können etwas freier aufspielen - und vielleicht doch wieder angreifen."

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