Saarsport-Tribüne Herkules-Aufgabe für die Verbände

Wie sollen Ligen gewertet werden, wenn an einem Abbruch kein Weg mehr vorbeiführt? Es bedarf eines Kompromisses, der für manchen schmerzhaft werden wird.

Herkules-Aufgabe für Verbände bei der Bewertung der Sportligen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Glückwunsch an den TTC Berlin Eastside. Die Tischtennis-Spielerinnen sind deutscher Meister. Denn der Deutsche Tischtennis-Bund hat vergangene Woche bekannt gegeben, die Spielzeiten seiner Ligen als Folge der Corona-Krise abzubrechen. Gewertet wurden die Tabellen zum Zeitpunkt der Aussetzung. Die Bundesliga der Männer setzt dagegen auf das Prinzip Hoffnung, möchte die Saison weiterspielen. Würde die Entscheidung des DTTB auch für die TTBL gelten, wäre Hauptrunden-Tabellenführer 1. FC Saarbrücken Meister. Aber wäre das fair? In einer Sportart, in der noch Playoffs anstünden?

Hätte die Volleyball-Bundesliga Hauptrunden-Spitzenreiter Berlin zum Meister erklärt, wäre schon ein „blöder Beigeschmack“ dabei, sagt Berlins Teamkapitän Moritz Reichert aus Lebach. Wie soll man sich über einen „Corona-Meistertitel“ freuen? Im Eishockey wurde die Saison vor den Playoffs abgebrochen, einen Meister gibt es nicht. In England wurden unterhalb der fünften Ligen die Saison abgebrochen und annulliert. Souveräne Tabellenführer dürften nicht aufsteigen, Klagen wären programmiert. Muss der FC Liver­pool um seinen so gut wie sicheren Titel bangen? In Belgien wurde die Fußballsaison abgebrochen und mit Stand des Abbruchs gewertet, der FC Brügge ist Meister.

Es scheint, dass jede Sportart, jeder Verband die unbequemen Entscheidungen anders treffen. Dabei ist klar: Mit jeder Lösung wird irgendjemandem auf die Füße treten, es gibt keine Idee, mit der alle einverstanden sein werden. Auch die Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund und beim Saarländischen Fußball-Verband stehen vor einer Herkulesaufgabe, wenn es nicht mehr weitergehen sollte, wenn das letzte Fünkchen Hoffnung auf eine Fortsetzung der Runde verglommen ist.

Beispiel Regionalliga Südwest: Soll Tabellenführer 1. FC Saarbrücken im Abbruchfall aufsteigen? Wenn nicht, wäre es sehr unfair gegenüber einem Team, das bisher eine starke Saison gespielt hat. Wenn doch, wäre das dann unfair gegenüber dem Tabellenzweiten SV Elversberg und dem Dritten TSV Steinbach-Haiger? Und was ist mit der Abstiegsregelung? Wird sie abgesetzt? Geht es im Herbst weiter? Was ist, wenn in irgendeiner Liga der Zweite sechs Punkte hinter dem Ersten liegt, aber zwei Spiele weniger absolviert sind? Muss da ein Koeffizient gebildet werden, damit Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herrscht? Vielleicht helfen vorübergehende Aufstockungen – eine Bundesliga und 2. Liga mit 20 Vereinen, eine 3. Liga mit bis zu 24 Teams. Wertung zum Stand des Abbruchs oder nach der Hinrunde, weil da jeder einmal gegen jeden gespielt hat?

Sie sehen, es ist kompliziert. Die Sache gleicht der Quadratur des Kreises. Ganz ohne Verlierer ist aber unmöglich. Egal, welcher Kompromiss am Ende steht, er wird manchen wehtun. Aber ohne Schmerzen geht es nicht – das gilt angesichts der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie für nahezu jeden.

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