Saarländischer Volleyball-Nationalspieler Reichert hält den Saisonabbruch für „fair“

Berlin · In Zeiten von Corona ist in vielen Sportarten die Frage nach der Wertung der Saison unklar. Moritz Reichert, der beste saarländische Volleyballer, kann mit der Entscheidung der Bundesliga gut leben, obwohl seinem Club der Meistertitel versagt bleibt.

 Moritz Reichert hatte diese Saison viel Grund zum Jubeln – er gewann mit seinem Verein alle Ligaspiele. Meister wurde Berlin trotzdem nicht.

Moritz Reichert hatte diese Saison viel Grund zum Jubeln – er gewann mit seinem Verein alle Ligaspiele. Meister wurde Berlin trotzdem nicht.

Foto: dpa/Andreas Gora

Fairness ist mithin das wichtigste Gut im Sport. Egal, ob bei Profis oder Amateuren, das Hohelied dieser Kerntugend erklingt überall. In der Coronavirus-Krise jetzt aber sind Vereine und Verbände mitunter gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die manchem Betroffenen unfair vorkommen. Ein Beispiel ist die Bundesliga, in der der beste saarländische Volleyballer spielt. Denn die wurde jüngst nach 20 von 22 Spieltagen abgebrochen. Einen Meister gibt es nicht.

An der Spitze stehen die Berlin Recycling Volleys mit dem Lebacher Moritz Reichert. Sie haben mal eben alle Saisonspiele gewonnen, führten die Tabelle mit elf Punkten souverän vor Reicherts punktgleichen Ex-Vereinen United Volleys Frankfurt und VfB Friedrichshafen an. Klingt, als würde den Berlinern der Meistertitel geklaut. „Ich finde es trotzdem für alle die fairste Lösung“, sagt Nationalspieler Reichert: „Nach der Hauptrunde hätten die Playoffs angestanden. Wir sind vergangene Saison zum Beispiel als Dritter der Hauptrunde deutscher Meister geworden.“ Insofern findet der Berliner Kapitän es „okay und fair“, dass vom Verband und der Liga so entschieden wurde. „Die Entscheidung über den Abbruch ist richtig. Es ist die einzige sinnvolle Lösung. Denn einen Mannschaftssport zu betreiben, wäre das Gegenteil von dem, was derzeit empfohlen wird.“

„Man ist im ersten Moment überrascht und fühlt sich vor den Kopf gestoßen“, berichtet der Außenangreifer, der am 15. März seinen 25. Geburtstag feierte. „Das war eine große Überraschung. Man kann sich schon ein bisschen ärgern. Und wir hätten es schon verdient gehabt“, gibt Reichert zu, „aber es ist, wie es ist. Und ich denke, jeder weiß, dass wir eine erfolgreiche Saison gespielt haben. Und es war schön, dass wir das Pokalfinale gewonnen haben.“ Im Endspiel hatten die Berliner Mitte Februar in Mannheim beim 3:0 gegen die Powervolleys Düren ihre Vormachtstellung gezeigt.

„Interessant wird jetzt die Frage, wer sich für die Champions League und Europa League qualifiziert“, sagt der Lebacher, der auch immer einen Blick in die Heimat wirft. Denn die Corona-Krise könnte auch für den souveränen Drittliga-Meister TV Bliesen zum Problem werden. Der wollte den Gang in die 2. Bundesliga nur antreten, wenn genug Geld da ist, um die Kosten zu decken. Der wirtschaftliche Stillstand dürfte sicher auch potenziellen Sponsoren zu schaffen machen. „Es wäre schade, wenn es daran scheitern würde. Aber die haben eine breite Basis aufgebaut und müssten es dann halt im schlimmsten Fall nächste Saison noch mal probieren“, sagt Reichert.

Sein Vertrag in Berlin läuft Ende Mai aus, von Kurzarbeit bei den Volleys weiß Reichert noch nichts. Vertragsverhandlungen stehen still, keiner weiß, wie es weitergeht, auch mit den Budgets. „Man wird in jedem Verein zu kämpfen haben. Das wird sich noch verzögern. Ich mache mich aber nicht verrückt und lasse alles auf mich zukommen“, sagt Reichert. In Sachen neuer Vertrag oder eines möglichen Wechsels hätte Reichert jedenfalls gute Karten. Der Saarländer, der auch schon in Tours (Frankreich) gespielt hat, ist Nationalspieler, seit dieser Saison Kapitän der Volleys und Leistungsträger, wurde zum Volleyballer des Jahres 2019 gewählt.

Der 25-Jährige hat schon oft Neuland betreten, so wie es jetzt „Neuland für uns ist, komplett rausgerissen zu sein“, sagt er. Rausgerissen aus der Terminhatz von Spiel zu Spiel, vom Kampf um Punkte, Sätze und Siege. Um sich selbst macht sich „Mo“ Reichert in Pandemie-Zeiten wenig Sorgen. Er und seine Freundin haben in Reicherts Wohnung in Berlin-Charlottenburg keine Langeweile. „Gut, dass ich hiergeblieben bin“, sagt er. Kraftübungen, Laufen, Radfahren, „ich versuche mich fitzuhalten, eine Grundfitness beizubehalten“, erzählt der Volleyballer. Beide absolvieren ein Fernstudium an einer privaten Fernhochschule. Reichert ist ungefähr in der Mitte seines Studiengangs Immobilienmanagement angekommen, seine Freundin studiert digitales Management. „Da kann man alles von zu Hause machen, das ist echt praktisch“, sagt Reichert. Und dass beide jetzt mehr Zeit zum Lernen haben, ist vielleicht in turbulenten Zeiten wie aktuell nur mehr als fair.

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