Schwimmen Die ersten Top-Athleten folgen Vitense

Saarbrücken · Der Landestrainer der Saar-Schwimmer wechselt nach Neckarsulm. Celine Rieder und Henning Mühlleitner werden ihn begleiten.

 Das Team Tokio 2020 wird so nicht weiterbestehen. Unser Bild zeigt oben von links Marlene Hüther, Ellen Olsson, Trainer Hannes Vitense, Patrick Lattwein, Christoph Fildebrand, Henning Mühlleitner und Jonathan Berneburg sowie unten von links Celine Rieder, Antonia Massone, Sarah Bosslet und Annika Bruhn.

Das Team Tokio 2020 wird so nicht weiterbestehen. Unser Bild zeigt oben von links Marlene Hüther, Ellen Olsson, Trainer Hannes Vitense, Patrick Lattwein, Christoph Fildebrand, Henning Mühlleitner und Jonathan Berneburg sowie unten von links Celine Rieder, Antonia Massone, Sarah Bosslet und Annika Bruhn.

Foto: Wieck/Thomas Wieck

Viel Aufregung beim Saarländischen Schwimm-Bund. In der Samstag-Ausgabe hatte die Saarbrücker Zeitung als erster darüber berichtet, dass Landestrainer Hannes Vitense das Saarland verlassen wird. Sportminister Klaus Bouillon war von der Nachricht „geschockt“. Und Annika Bruhn sagt: „Das ist ein großer Verlust für den saarländischen Schwimmsport.“

Damit spricht die Olympia-Teilnehmerin aus, was viele denken. Denn Vitenses Ruf an der Hermann-Neuberger-Sportschule und am Landesstützpunkt Schwimmen könnte besser nicht sein. „Er kann Athleten unglaublich motivieren“, lobt Martin Bartels, der Präsident des Saarländischen Schwimm-Bundes (SSB): „Er kann ein Team bilden und es auch weiterbringen, nach vorne entwickeln. Er hat seine Trainingsgruppen sensationell gecoacht, ist auch methodisch ein ausgezeichneter Schwimmtrainer.“

Der so Gelobte selbst ist im Urlaub und wollte zuerst ein Gespräch am kommenden Sonntag mit dem Verband abwarten, bevor er sich im Detail äußert. Nur so viel: „Der SSB liegt mir sehr am Herzen“, sagt Vitense.

Der 35-Jährige arbeitet seit 2004 im Saarland, war seit 2009 Landestrainer. Seine Aufbauarbeit ist herausragend, das saarländische Schwimmen so gut aufgestellt wie nie zuvor – mit bis zu acht Kandidaten für die Olympischen Spiele in Tokio. Vitenses aktueller Vertrag wäre parallel zum olympischen Zyklus bis 2020 gelaufen. Enthalten war in dem Kontrakt aber eine Ausstiegsklausel, denn dem SSB war Vitenses familiäre Situation bekannt. „Es nutzt uns ja auch nichts, wenn wir hier einen Trainer haben, der unglücklich ist“, berichtet Bartels.

Jetzt machte Vitense von der Klausel Gebrauch und kündigte zum Jahresende – aus eben jenen familiären Gründen. Seine Frau, die Sportpsychologin Birte Steven-Vitense, bekommt nämlich in Neckarsulm eine Stelle. Und dorthin wird auch Vitense gehen. Dann soll Schluss sein mit der Wochenend-Pendelei aus Saarbrücken in seine Heimat Hannover, aus deren Nähe auch seine Frau stammt. Im Saarland hatte der Verband der ehemaligen Leistungsschwimmerin einen Arbeitsplatz an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHFPG) angeboten. „Die Stelle war aus meiner Sicht auch ausbaufähig“, sagt Bartels. Steven-Vitense lehnte ab. Laut Bartels, weil sie nicht ihrer Qualifikation entspräche.

In Neckarsulm ist die Familie Vitense, die ein kleines Kind hat, dann wieder vereint. Dort soll mit einer „Insel-Lösung ein Stützpunkt entstehen, in dem Spitzensportler und Olympia-Teilnehmer ihre Ausbildung bekommen. Allerdings ist es – wie in Saarbrücken – auch kein Bundesstützpunkt“, sagt Bartels. Das Thema Stützpunkt scheint auch eine Rolle zu spielen. Denn das Saarland kämpft darum, Bundesstützpunkt zu werden. „Wir haben alles hier vor Ort, um erfolgreichen Spitzensport zu betreiben“, sagt SSB-Chef Bartels. Die Bedingungen werden auch von den Athleten einhellig gelobt. Internat, Trainingsstätten und Universität seien direkt beieinander.

Zudem wollte Sportminister Bouillon den Schwimmsport weiter fördern, mitkämpfen für den Standort. „Er setzt sich sehr stark für uns ein“, sagt Bartels. Das Problem: Der Deutsche Schwimmverband (DSV) samt Chef-Bundestrainer Henning Lambertz setzt im Zuge der Leistungssport-Reform in Deutschland auf ein neues Konzept. Und das hat eine Zentralisierung zum Inhalt. Künftig soll es nur noch fünf Stützpunkte geben. Und trotz aller guten Argumente wird Saarbrücken wohl keiner davon sein. Obwohl die Entscheidung noch nicht endgültig gefällt ist, sieht es schlecht aus. „Offenbar ist für Hannes da ein Traum zerplatzt“, mutmaßt Bartels.

Die Personalie Vitense ist nicht die einzige Änderung bei den SaarSchwimmern. Auch der zweite Landestrainer Dominik Haberecht, seit vier Jahren im Amt, wird sich nach Absprache mit dem Verband verändern. Der Dudweiler wird dem SSB aber erhalten bleiben. Bereits 2016 war Landestrainer Ralf Steffen gegangen. Sein Vertrag war ausgelaufen, er wollte sich verändern und arbeitet laut Bartels jetzt als Trainer in Köln. Der SSB sucht jetzt Nachfolger und will sich dafür auch Hilfe vom DSV holen. Mit den Bedingungen vor Ort ist der Verbandspräsident zuversichtlich, einen internationalen Spitzentrainer zu bekommen. Es gebe interessante Alternativen. Künftig wolle man noch enger mit der Sportmedizin der Uni in Sachen Leistungsdiagnostik zusammenarbeiten, vor der Zukunft ist Bartels also nicht bange.

Für die Athleten aus Vitenses Trainingsgruppe ist es allerdings eine große Zäsur. Schwimmer wie Christoph Fildebrandt oder Annika Bruhn, beide bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro im Becken, kamen nicht nur wegen den guten Trainingsbedingungen, sondern auch wegen Vitense. Das Vertrauensverhältnis ist groß. So verwundert es nicht, dass mit Celine Rieder und Henning Mühlleitner zwei Schwimmer Vitense nach Neckarsulm folgen werden. Mit der erst 16-jährigen WM-Teilnehmerin Rieder verliert der SSB sein Toptalent, die Wittlicherin hat herausragende Anlagen. Auch Annika Bruhn, die im März ihr Studium beenden wird, erwägt einen Umzug nach Neckarsulm. „Ich halte mir alle Optionen offen“, sagt sie der SZ. Ob noch weitere Athleten mitgehen, ist unklar. „Da sind wir in Gesprächen“, sagt Bartels.

 SSB-Präsident Martin Bartels sucht jetzt einen neuen Trainer.

SSB-Präsident Martin Bartels sucht jetzt einen neuen Trainer.

Foto: Wieck/Thomas Wieck
 Der saarländische Schwimm-Landestrainer Hannes Vitense (links) und sein früherer Kollege Ralf Steffen scherzen miteinander.

Der saarländische Schwimm-Landestrainer Hannes Vitense (links) und sein früherer Kollege Ralf Steffen scherzen miteinander.

Foto: Wieck

Traurig ist vor allem Freiwasser-Schwimmer Andreas Waschburger, der im Saarland bleiben wird. „Ich bin Hannes sehr dankbar dafür, was er mit mir gemacht hat. Er hat mich 2012 zu Olympia gebracht“, sagt Waschburger. Das muss für Tokio 2020 jetzt ein anderer tun.

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