Aufarbeitung eines Debakels

Stockholm. Selbst in seinem bislang bittersten Moment als Eishockey-Bundestrainer blieb Jakob Kölliker noch freundlich und galant. Eine Abrechnung mit seinem Team lehnte der Schweizer nach dem WM-Desaster ab

 Die deutschen Eishockeyspieler gaben gegen Norwegen alles andere als eine gute Figur ab. Foto: Peter Steffen/dpa

Die deutschen Eishockeyspieler gaben gegen Norwegen alles andere als eine gute Figur ab. Foto: Peter Steffen/dpa

Stockholm. Selbst in seinem bislang bittersten Moment als Eishockey-Bundestrainer blieb Jakob Kölliker noch freundlich und galant. Eine Abrechnung mit seinem Team lehnte der Schweizer nach dem WM-Desaster ab. Ein paar Meter weiter ging Verbands-Generalsekretär Franz Reindl aufgewühlt auf und ab und gab Kölliker später trotz Fassungslosigkeit volle Rückendeckung für das Endspiel um die direkte Olympia-Qualifikation heute gegen Tschechien (16.15 Uhr/Sport 1).

"Jedes Wort ist jetzt zu viel"

"Es gibt jetzt zwei Methoden: Entweder, es geht sachte an die Analyse, und wir suchen nach Ursachen innerhalb des Teams. Oder wir machen eine öffentliche Zerfleischung, und das möchte ich momentan nicht", sagte Kölliker nach der unerklärlichen 4:12-Blamage am Sonntagabend gegen Norwegen. Die WM-Pleite in Stockholm mit den meisten Gegentoren seit 39 Jahren hat die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zwei Jahre nach dem sensationellen Halbfinale bei der Heim-WM 2010 tief erschüttert. "Für uns ist das ein Desaster. Jedes Wort ist jetzt zu viel", sagte Kölliker unmittelbar nach dem Spiel, das seinem Team eigentlich den Weg ins dritte WM-Viertelfinale in Serie ebnen sollte. Stattdessen erlebte das DEB-Team eines der "schlechtesten Spiele in der Geschichte des deutschen Eishockeys", wie Abwehr-Routinier Christoph Schubert schonungslos konstatierte.

Trotzdem wollte Generalsekretär Reindl vor dem Spiel gegen den zwölfmaligen Weltmeister Tschechien Köllikers Zukunft über die WM hinaus nicht infrage stellen: "Er macht akribische Arbeit. Er bringt sich voll für das Team ein, und dann passiert so etwas. Da tut mir jeder leid, der dabei ist."

Fernduell mit der Schweiz

Kölliker, der als Trainer nur einen Vertrag bis zum Ende der WM hat und danach eigentlich Sportdirektor werden soll, legte nach dem Debakel Wert darauf, das Turnier mit der direkten Qualifikation für Sotschi 2014 noch zu retten. "Wenn das gelingen sollte, klar. Das war immer das erklärte Ziel. Da müssen wir nach dem Turnier Bilanz ziehen", erklärte er. Dass der DEB nun den vor der WM offensiv verkündeten Plan, Kölliker an den Verband binden zu wollen, noch einmal überdenkt, gilt angesichts der intern wohl schon längst gefallenen Entscheidung als unwahrscheinlich.

Der Bundestrainer legte seinen Fokus daher schnell auf die Aufarbeitung der Demontage und die Stärkung seiner Spieler. Erneut stellte er sich vor sein Team. "Wir müssen jetzt innerhalb eines Tages wieder auf die Beine kommen, um das immens wichtige Spiel gegen Tschechien noch zu bestreiten", sagte der 58-Jährige. Für die direkte Olympia-Qualifikation müsste Deutschland gegen den Ex-Champion mehr Punkte holen als Köllikers Schweizer Landsleute vier Stunden später in Helsinki gegen die USA. "Wir müssen unsere Leistung und unsere Punkte holen, und zum Schluss wird abgerechnet", befand Kölliker. dpa

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