Gíftköder für Hunde Wenn ein Stückchen Lyoner zur Todesfalle wird

Saarbrücken · Mit Rattengift, Glasscherben oder Rasierklingen gespickte Wurst - die Anschläge auf Hunde scheinen zuzunehmen. Was Hundehalter tun können.

 Gemeiner Anschlag auf Tiere: Lyoner, der mit Rasierklingen und Glasscherben gespickt ist. Symbolbild

Gemeiner Anschlag auf Tiere: Lyoner, der mit Rasierklingen und Glasscherben gespickt ist. Symbolbild

Foto: picture alliance / dpa/dpa Picture-Alliance/Wolfgang Langenstrassen

Wenn Michaela Wunn mit ihrer französischen Bulldogge im Wald unterwegs ist, achtet sie ganz genau darauf, dass ihr „Schlomo“ nichts in den Mund nimmt. Denn Köder, gespickt mit Rasierklingen, Glasscherben oder Gift könnten überall am Wegesrand liegen. „Bisher ist mir noch nichts aufgefallen, aber beim Spazierengehen bin ich immer etwas ängstlich“, sagt sie.

Wie ihr dürfte es im Saarland vielen Hundebesitzern gehen, denn die Meldungen über ausgelegte Köder in der Region reißen nicht ab. Im März wurde ein Hund auf dem Saarleinpfad vergiftet. Der Parson-Russell-Terrier ist qualvoll gestorben, nachdem er Hackfleisch gefressen hatte, das womöglich mit Schneckenkorn vergiftet war. Ebenfalls Schneckenkorn wurde im Juni in Schmelz in Lyonerstücken ausgelegt. Die Tierrechtsorganisation Peta setzte daraufhin eine Belohnung in Höhe von 1000 Euro aus. Im Juli musste ein Beagle in Düppenweiler leiden, weil er einen Köder mit Rattengift geschluckt hatte. Anfang Oktober waren Tierquäler in St. Wendel unterwegs: Ein zehn Jahre alter Hund ist in Oberlinxweiler elend verendet, vermutlich weil er ein mit Rasierklingen präpariertes Stück Wurst gefressen hatte. Rasierklingen versteckt in Wurststücken fanden Hundehalter auch im Hirschgartenweg in Neunkirchen Mitte Oktober. Und jüngst wurden laut Angaben der Facebook-Gruppe „Giftgefahr im Saarland“ in Klarental Giftköder in der Nähe eines Spielplatzes ausgelegt – bisher konnte die Polizei das allerdings noch nicht bestätigen.

Die Tierrechtsorganisation Peta bestätigt den Verdacht, dass vermehrt Köder ausgelegt werden. „Von 2015 auf 2016 gab es einen starken Anstieg“, sagt Judith Pein von Peta. Und auch 2017 seien es nicht weniger geworden. „Gerade in den letzten Wochen wurden bundesweit wieder vermehrt Köder gefunden.“

Tiere gelten vor dem Gesetz als Sachen

Das Landespolizeipräsidium kann über die Zahl von Köder-Anschlägen keine genaue Aussage treffen. Statistisch würden diese Fälle nicht erfasst, weil sie unter den Tatbestand „versuchte Sachbeschädigung“ fielen. Tiere gelten rechtlich als Sachen. Dennoch sind sie in der Verfassung geschützt. Das gezielte Vergiften und Verletzen von Hunden sei keineswegs ein Kavaliersdelikt. Laut Peta ist es eine ernstzunehmende Tierquälerei und Straftat, die mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden kann. Das bestätigt auch das Landespolizeipräsidium: „Kommt es durch einen ausgelegten Köder zum Tod eines Hundes oder werden dem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt, handelt es sich um eine Straftat nach §17 Tierschutzgesetz“.

Warum Peta für Hinweise zahlt

Die Täter zu fassen, steht hingegen auf einem ganz anderen Blatt. „In den seltensten Fällen werden die Täter überführt“, sagt Peta-Sprecherin Judith Pein. Das liege auch daran, dass sie häufig schnell und ungesehen agierten. Außerdem fehlten in vielen Fällen die Beweise. Daher setzt Peta nicht selten Belohnungen für Hinweise auf den Täter aus. Auch so geschehen bei dem Giftköder-Anschlag in Schmelz im Juni dieses Jahres. Die Gründe eine Belohnung auszusetzen sind vielfältig: Zum einen wolle die Organisation damit die Arbeit der Polizei unterstützen, zum anderen auch mögliche Täter abschrecken. Sie möchte damit aber auch die Menschen für Fälle von Tierquälerei sensibilisieren und aufzeigen, wie häufig Tiere Opfer von Missbrauch werden.

Wer tut so etwas?

Hört man sich die Sorgen und Ängste von Hundehaltern an und verfolgt die Meldungen, die tagtäglich auf Plattformen wie „Giftgefahr im Saarland“ oder in der App „Giftköder-Radar“ eingestellt werden, merkt man schnell, dass Strafe und Verfolgung Täter kaum abschrecken. Zurück bleibt vor allem die bohrende Frage, die sich sowohl Tierhalter, wie auch Bürger ohne tierischen Anhang stellen: Wer tut so etwas? Wer ist in der Lage, mutwillig ein Tier zu verletzen oder gar zu töten?

„Schnell sagt man, dass ein Tier- oder Hundehasser am Werk ist. Oder jemand, der sich vielleicht über Hundekot oder Gebell ärgert“, erklärt Pein. Doch von dem Punkt, sich über ein Tier zu ärgern, bis zu der Tat, es durch sein Handeln äußerst qualvoll zu töten, sei es ein enormer Schritt. In vielen Fällen verendeten die Tiere an inneren Blutungen, unter Krämpfen und großen Schmerzen. „Niemand der psychisch gesund ist, möchte einem Lebewesen so etwas antun“, sagt die Peta-Sprecherin. Dabei ginge es dem Täter oft um Machtausübung und die „Lust, Hunde und vor allem ihre Besitzer zu quälen“. „Allein die Vorstellung, wie das Tier aufgrund seiner Tat leidet, bereitet diesem psychisch gestörten Menschen Freude“, führt Pein weiter aus.

Was Halter tun können

Doch wie können Halter ihre Tiere vor Köder-Anschlägen schützen? Zum einen sollten laut Pein Halter aufmerksam sein und darauf achten, ob der Hund etwas wittert. „Ganz prinzipiell sollten Hunde aber darauf trainiert werden, auf Spaziergängen nichts zu sich zu nehmen“, rät sie. Sei die Gegend schon für Giftköder bekannt, gelte höchste Alarmstufe. Diese Gebiete sollten entweder gemieden werden oder der Hund sei an der kurzen Leine zu halten.

Was ist zu tun, wenn der Hund tatsächlich etwas geschluckt hat? Sofort zum Tierarzt, auch schon bei dem geringsten Verdacht, empfiehlt Pein. Symptome für eine Vergiftung seien unter anderem Erbrechen, Durchfall, Zittern, Krämpfe, Blutungen oder Atemnot. Von eigenmächtigen Behandlungsversuchen rät die Tierrechtlerin ab, da dadurch wertvolle Zeit verloren ginge. Außerdem sollten Tierhalter Anzeige erstatten und Köder-Funde immer melden, damit jeder Fall registriert werde. Das sei zudem wichtig, weil auch Katzen und andere Wildtiere durch Köder zu Schaden kommen könnten. Köder fänden sich nicht nur auf Spazierwegen, sondern immer häufiger in der Umgebung von Spielplätzen und auf Privatgrundstücken. Damit könnten auch Kinder Opfer eines Köder-Anschlags werden.

Info:

Derzeit gibt es kein zentrales Melderegister für Köder-Attacken. Wer sich dennoch über aktuelle Funde in der Region informieren will, kann unter anderem die Lokalnachrichten verfolgen, der Facebook-Gruppe „Giftköder im Saarland“ beitreten oder sich die kostenlose App „GiftköderRadar“ herunterladen.

Köder und Giftköder-Anschläge in der Region (2017)

• 24.Oktober: Nicht von der Polizei bestätigt: In Klarenthaler Birkenweg wurden Giftköder in Höhe des Spielplatzes und in Privatgärten ausgelegt.

• Im Zeitraum vom 27. September bis 11. Oktober: Neunkirchen, Hirschgartenweg, Gift, Rasierklingen oder Glas gespickte Wurststücke.

• 2. Oktober: Tierquäler in St. Wendel unterwegs: für einen zehn Jahre alten Hund kam jede Hilfe zu spät

• 5. Juli: Hund frisst Rattengift

• 9. Juni: Giftköder-Anschlag in Schmelz: Tierrechtsorganisation Peta setzt eine Belohnung in Höhe von 1000 Euro aus

• 24. März: Hund auf Saarleinpfad vergiftet; Parson-Russell-Terrier ist qualvoll gestorben nachdem er Hackfleisch gefressen hatte, das womöglich mit Schneckenkorn versetzt war

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