Wenn das Leckerli zur Todesfalle wird

Berlin/Saarbrücken · Ob mit Rattengift, Glasscherben oder Rasierklingen: Präparierte Köder verletzen und töten immer wieder Hunde und andere Tiere. Die Taten scheinen zuzunehmen. Auch für Menschen kann das gefährlich werden.

"Giftköder tötet Hund", "Tierquäler spicken Wiener Würstchen mit Stecknadeln", "Polizei warnt: Köder mit Rasierklingen ausgelegt". Immer wieder gibt es solche Meldungen - und oft enden die Attacken für die Tiere tödlich. Sie verbluten innerlich, sterben unter Krämpfen und großen Schmerzen, wie die Tierrechtsorganisation Peta schildert. Aber auch Menschen seien gefährdet, betont der Deutsche Tierschutzbund - etwa spielende Kinder, wenn sie mit Giftködern in Berührung kommen. Werden solche Straftaten in Deutschland häufiger? "Wir haben ganz klar den Eindruck, dass die Zahl der Fälle zunimmt", hat Baden-Württembergs Tierschutzbeauftragte Cornelie Jäger kürzlich gesagt. Peta spricht von einer bundesweiten Häufung, auch wenn offizielle Zahlen dazu rar sind. "Durch Medienberichte oder Hilferufe von Betroffenen erfahren wir fast täglich von Anschlägen durch mit Gift oder scharfkantigen Gegenständen präparierte Köder auf Tiere", erläutert Judith Pein, Sprecherin der Tierrechtler von Peta. Der saarländische Linken-Abgeordnete Ralf Georgi forderte deshalb kürzlich ein Frühwarnsystem für Giftköder im Saarland in Form einer von Landesbehörden, Polizei und Revierleitern gespeisten Internetseite oder App.

In der Kriminalstatistik werden die Delikte als Verstöße gegen das Tierschutzgesetz erfasst, teils auch als Sachbeschädigung. Bei den Vergehen gegen den Tierschutz haben die Ermittler im vergangenen Jahr bundesweit 6719 Fälle erfasst - verglichen mit dem Jahr 2010, als 6521 Fälle registriert wurden, ist das ein Plus von gut drei Prozent. Aufschlussreich sind hier Stimmen aus einzelnen Bundesländern.

Beispiel Saarland: Die Fälle häufen sich auch hier. Im März dieses Jahres fraß ein Hund in Düppenweiler in der Nähe eines Kinderspielplatzes mit Rattengift versetztes Hackfleisch. Im Februar vergangenen Jahres verendeten vier Hunde in Saarbrücken an Giftködern, die in Wäldern ausgelegt waren. 2013 wurden drei Hunde in Höchen vergiftet, zwei mussten eingeschläfert werden. Im Februar vergangenen Jahren legten Unbekannte Giftköder in St. Ingberter und Saarbrücker Forstgebieten aus. Mindestens sechs Hunde wurden damals vergiftet. Bereits 2006 fanden Anwohner im Homburger Stadtteil Bruchhof in ihrem Garten zwei vergiftete Wurststücke, in einem steckte sogar ein Nagel.

Beispiel Bayern: Das Landeskriminalamt in München will Angriffe auf Hunde mit präparierten Ködern zwar nicht als Kriminalitätsschwerpunkt bezeichnen. Doch sei in Bayern seit dem Jahr 2011 mit rund 60 Fällen bis zum Jahr 2014 mit etwa 100 Fällen "ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen" festzustellen. Diese Tendenz setze sich im laufenden Jahr fort. Beispiel Rheinland-Pfalz. "Die Fallzahlen für diesen Bereich stiegen von 2008 bis 2014 mit verschieden hohen Zuwächsen fast ständig an", heißt es aus dem dortigen Landeskriminalamt. Die Täter hatten Hunde mit Wurst und Fleisch geködert und die vermeintlichen Leckerlis mit Schneckenkorn , Rattengift, Rasierklingen, Nägeln oder Glasscherben präpariert. Die Köder fanden sich auf öffentlichen Plätzen, Straßen und Feldwegen oder wurden auf Privatgrundstücke geworfen.

Die Polizei im Saarland vermutet hinter den Delikten länger andauernde Streitigkeiten etwa zwischen Nachbarn , wie das Landespolizeipräsidium in Saarbrücken erklärt. Ähnlich sieht es der Deutsche Tierschutzbund: Oft würden zwischenmenschliche Konflikte über das Haustier ausgetragen. Opfer seien dabei längst nicht nur Hunde; so sei auch schon mit einem Luftgewehr auf Katzen geschossen worden. Die genauen Motive jedoch blieben ebenso wie die Täter meist unbekannt, bedauert der Tierschutzbund.

Auch Sascha Schoppengerd - Mitinitiator des privaten Internetangebots "Giftköderradar" - befürchtet ein großes Dunkelfeld. In diesem Jahr seien schon rund 1800 Meldungen aufgenommen worden (im Vergleich zu 1277 Meldungen im gesamten vergangenen Jahr), allerdings sei nur in rund 100 Fällen eine Anzeige bei der Polizei erstattet worden. Peta fordert ein Melderegister, um Giftanschläge zentral zu dokumentieren. Ganz wichtig sei es jedenfalls, als Tierhalter Anzeige zu erstatten und Köder-Funde zu melden, empfiehlt Judith Pein.

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Hintergrund Wie können Hundehalter ihre Vierbeiner schützen - und notfalls retten? Bei dem Verdacht, dass der Hund einen Giftköder gefressen hat, hilft nur noch eins: Sofort zu einem Tierarzt gehen. Verdacht auf eine Vergiftung besteht etwa, wenn der Hund Symptome zeigt wie Erbrechen , Durchfall, Zittern, Krämpfe, Blutungen oder Atemnot. Verliert der Hund das Bewusstsein, schwebt er in Lebensgefahr. In diesem Fall empfiehlt Schmitz: Zunge herausholen, Maulhöhle von Schleim und Erbrochenem befreien, Atemwege freihalten und eine Herzmassage vornehmen. Auf keinen Fall Erbrechen auslösen, denn dabei besteht Erstickungsgefahr. Im Internet gibt es außerdem Portale wie den "Giftköder-Radar", die vor mutmaßlichen Gefahrenzonen warnen. Das Warnsystem gibt es auch als Smartphone-App für unterwegs. dpa

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