Von der Kanzel hinters Lehrerpult "Die Tiefe des Erlebens"

St. Wendel. Zum letzten Mal schritt Pfarrerin Engers-Ayasse in der Stadtkirche hinauf zur Kanzel und sprach zur versammelten Kirchengemeinde. Ihren Verabschiedungsgottesdienst habe sie unter dem Eindruck der schockierenden Ereignisse aus Japan vorbereitet

 Carmen Engers-Ayasse auf der Kanzel. Foto: Faber

Carmen Engers-Ayasse auf der Kanzel. Foto: Faber

St. Wendel. Zum letzten Mal schritt Pfarrerin Engers-Ayasse in der Stadtkirche hinauf zur Kanzel und sprach zur versammelten Kirchengemeinde. Ihren Verabschiedungsgottesdienst habe sie unter dem Eindruck der schockierenden Ereignisse aus Japan vorbereitet. "Wir wollen ein Zeichen setzten, dass das Austreten von Radioaktivität in den japanischen Atomkraftwerken endlich ein Ende findet", forderte sie in ihrer Predigt auf.

Nach zehneinhalb Jahren im Pfarrdienst wollte sie sich aber auch noch einmal bedanken und Auf Wiedersehen sagen. "Der Abschied bedeutete zunächst für mich Trauer und Wehmut um ein lieb gewonnenes Aufgabenfeld und um viele vertraut gewesene Mitglieder in der Gemeinde", schilderte Engers-Ayasse ihre Gefühle. Seit Oktober 1999 war sie Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde St. Wendel, von 2005 bis 2010 füllte sie die dritte Pfarrstelle aus. Infolge der Auflösung des Kirchenkreises St. Wendel endete ihre Pfarrstelle während ihrer Elternzeit Ende Juni 2010 . Das Presbyterium stimmte einer Teilung der neu errichteten einhundertprozentigen Entlastungspfarrstelle nicht zu, worüber sie nicht glücklich war. "Da ich Zeit für meine Tochter Luisa haben möchte, und nur eine Stelle mit fünfzigprozentigem Dienstumfang antreten wollte, ist mir eine Rückkehr in den Gemeindedienst nicht möglich", erklärte die scheidende Seelsorgerin.

In den zurückliegenden zehn Jahren habe sie mit vielen Menschen zusammengearbeitet, und sei dabei manchen sehr nahe gekommen. "Das Schönste im Leben eines Pfarrers ist die Tiefe des Erlebens", resümierte sie. Groß war die Gratulantenschar beim anschließenden Empfang im Gemeindesaal. "Die tiefen Erfahrungen und die wichtigen Begegnungen haben sie als Pfarrerin geprägt und im Beruf des Seelsorgers weiter gebracht", lobte Pfarrer Markus Karsch, und überreichte Engers-Ayasse einen Blumenstrauß als Dankeschön im Namen der Kirchengemeinde. Zudem leitete sie von 2002 bis 2007 die Notfallseelsorge im Landkreis St. Wendel. Kreisbrandinspekteur Hans-Josef Keller hob hervor, dass sie dabei immer ein offenes Ohr für die seelischen Bedürfnisse aller Hilfsorganisationen gehabt habe. "Das Erlebte an der Einsatzstelle wird nicht in der Jacke, sondern in der Seele verarbeitet", stellte Keller fest. Genau dort habe sie mit ihrer Arbeit als Notfallseelsorgerin gezielt angesetzt. "Das verdient den höchsten Respekt. Carmen Engers-Ayasse hat sich bei allen Hilfsorganisationen einen Namen gemacht", führte Ortsvorsteher Kurt Wiese noch an.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge blickte Landrat Udo Recktenwald auf das Ausscheiden der Pfarrerin. "Sie geht der Kirchengemeinde verloren, bleibt uns aber als Religionslehrerin für unsere Schüler erhalten", sagte Recktenwald. Seit September unterrichtet die Theologin die evangelische Religion an der Erweiterten Realschule in der Kreisstadt.

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