Treffpunkt statt Brennpunkt

Saarbrücken. Vor drei Jahren haben sich hier Menschen um die Kuchen- und Fleischtheke getummelt. Vielleicht auch vor dem Gewürzregal gestanden. Oder an der Kasse. Heute sind hier, im ehemaligen Edeka, immer noch Menschen. Aber wo es einst Kuchen zu kaufen gab, ist jetzt der Eingangsbereich. Wo die Fleischtheke stand, stehen jetzt die Eltern und beobachten ihre Kinder

 Lothar Bock steht in der Trainingshalle, während im Hintergrund die Kinder trainieren. Foto: Wieck

Lothar Bock steht in der Trainingshalle, während im Hintergrund die Kinder trainieren. Foto: Wieck

Saarbrücken. Vor drei Jahren haben sich hier Menschen um die Kuchen- und Fleischtheke getummelt. Vielleicht auch vor dem Gewürzregal gestanden. Oder an der Kasse. Heute sind hier, im ehemaligen Edeka, immer noch Menschen. Aber wo es einst Kuchen zu kaufen gab, ist jetzt der Eingangsbereich. Wo die Fleischtheke stand, stehen jetzt die Eltern und beobachten ihre Kinder. Wo die Gewürzregale aufgestellt waren, sitzt heute eine große Buddha-Figur. Und wo 2007 ein Dutzend Menschen an der Kasse bezahlen wollten, knien jetzt mindestens doppelt so viele Kinder auf einer Matte, tragen Judoanzüge und sind bereit, um mit dem Training anzufangen.

Aus Blödsinn wird Ernst

Eigentlich war es nicht ernst gemeint, als Lothar Bock, Vorsitzender und Trainer des Judoclubs (JC) Folsterhöhe Alt-Saarbrücken, Ende 2007 auf die Immobiliengruppe Saarbrücken zuging. "Man wusste nicht, wie man das Edeka weiter nutzen sollte, weil ein neues gebaut wurde", erinnert er sich. Schon einige Jahre zuvor hatte er geplant, für seinen Judoclub ein eigenes Dojo zu erbauen, um sozial schwächeren Familien auf der Saarbrücker Folsterhöhe den Sport zugänglich machen zu können. Die vorherige Sportstätte in der Schulhalle bot schon lange nicht mehr genügend Platz. Aber einen kompletten Neubau hätte sich der Verein nicht leisten können.

"Also bin ich 2007 aus Blödsinn auf die Immobiliengruppe zugegangen", erzählt Bock, "wir hatten ja gar kein Geld. Wir hätten uns damals noch nicht mal eine Türklinke kaufen können." Aber aus Spaß wurde Ernst. Die Immobiliengruppe übergab dem JC das Gebäude später als Schenkung. Im Sommer 2009 begann der Verein mit dem Umbau zum eigenen Dojo.

Mit dem Projekt "Treffpunkt statt Brennpunkt" gewann der Judoclub vor kurzem bei dem Wettbewerb "Sterne des Sports" auf Saarbrücker Kommunalebene. "Ich war natürlich begeistert", strahlt Lothar Bock, "das Projekt hier hatten wir schon seit Jahren im Auge. Dann habe ich etwas über die Sterne des Sports gelesen und mich einfach mal beworben."

Mit dem großen Stern in Bronze qualifizierte sich der JC Folsterhöhe für die Entscheidungsrunde auf Saarlandebene und erhielt schon jetzt ein Preisgeld von 1000 Euro. Und das kann er auch gut gebrauchen. Denn noch ist das vereinseigene Dojo lange nicht fertig. Zwar können die Kinder und Jugendlichen schon die verschiedenen Angebote des JC nutzen, aber das Dojo soll mehr bieten als nur eine Judo-Sportstätte. "Hinter dem Gebäude wollen wir für die Jugendlichen noch eine Außenanlage bauen, auf der sie Volleyball, Basketball, Badminton oder Fußball spielen können. Die ganze Woche über sollen die Leute zusammen kommen, grillen und den Platz auch für Feste nutzen können", plant Lothar Bock.

Zahlreiche Angebote

Und das Dojo mit dem Kraftraumbereich, den Umkleidekabinen und dem Café ist auch noch nicht fertig renoviert. Durch die Sportplanungskommission erhielt der Verein bereits 75 000 Euro, um das Projekt überhaupt in die Wege leiten zu können. Den Rest hat der Judoclub durch Spenden und Sponsoren finanziert und selbst renoviert. "Allein die Instandhaltungskosten sind so hoch, dass wir eigentlich einen Vereinsbeitrag von mindestens 40 Euro erheben müssten", erzählt Bock, "aber es sollen ja auch Jugendliche aus sozial schwachen Familien Möglichkeiten bekommen. Also beträgt der Einzelbeitrag sechs Euro, der Familienbeitrag zehn."

Lothar Bock schaut durch das Dojo, über die Matte und weist schließlich auf die gegenüberliegende Wand. Dort hängen verschiedene Länderfahnen. "Die symbolisieren zum Teil die Länder, aus denen unsere Kampfsportarten kommen, und auch die verschiedenen Nationen, die hier auf der Matte trainieren". Und die Kinder kommen aus 15 bis 20 verschiedenen Ländern, wie der Vorsitzende schätzt. "Integration? Hier funktioniert es wunderbar", lächelt er. Gerne würde Lothar Bock noch mehr für die Kinder tun: "Wenn uns genug Leute unterstützen, werden wir mit ihnen auch mal in eine Ferienfreizeit fahren. Wenn wir mal auf ein Turnier nach Schmelz fahren, ist das für die Kinder wie der erste Urlaub."

Auch für die etwas Älteren reicht das Engagement des Vereins sehr weit, geht sogar über den Sport hinaus. Denn gleich neben dem Dojo steht das Clubheim des JC Folsterhöhe Alt-Saarbrücken, ehemals ein Raum der Sparkasse, den der Verein im Rahmen des Dojos umbaute - mit einer kleinen Küche, einem Aufenthaltsraum, der auch von Senioren genutzt werden kann, und einem Computerraum. "Hier bieten wir den Jugendlichen, sich Informationen zu suchen, wenn sie sich nach Praktika und Jobs umschauen. Wir helfen ihnen auch dabei, geben Nachhilfe und Bewerbungstipps", berichtet Lothar Bock, "auch hier auf der Folsterhöhe sitzen Kinder mit Potenzial und Jugendliche mit Zielen. Vielleicht können wir mit unserem Projekt auch ein Vorzeigemodell für andere Vereine sein, denn machbar ist so vieles."

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