Von Vögeln und langen Unterhosen

Neunkirchen. In ihrem Chanson-Programm stellen Margret Gampper und Bernd Möhl die Frage: "Fein oder nicht fein . . .?" Am Freitagabend konnten 130 Besucher in der Stummschen Reithalle selbst entscheiden, welche Bezeichnung eher auf das Liedgut aus der Zeit des Wirtschaftswunders zutrifft

Neunkirchen. In ihrem Chanson-Programm stellen Margret Gampper und Bernd Möhl die Frage: "Fein oder nicht fein . . .?" Am Freitagabend konnten 130 Besucher in der Stummschen Reithalle selbst entscheiden, welche Bezeichnung eher auf das Liedgut aus der Zeit des Wirtschaftswunders zutrifft. So pikant, frivol, hintersinnig und humorvoll die Texte aus der Feder von Hugo Wiener, Otto Reutter oder Walter Brandin auch sein mögen, ohne die notwendige Raffinesse der Akteure würden die wunderbaren Lieder heute vermutlich nicht mehr so funktionieren, wie in den 50er Jahren. Da trifft es sich gut, dass Margret Gampper nicht nur eine ausgezeichnete Chanteuse, sondern auch eine vielseitige Schauspielerin ist. Dass sie mit Bernd Möhl am Piano einen kongenialen Partner gefunden hat, erwies sich zur großen Freude der Zuschauer auch am Freitag. Unbeschwert nahm das Duo die Zuschauer mit "Liedern und Plaudereien am Nierentisch" auf eine fast zweistündige Zeitreise mit, die die Lachmuskeln strapazierte und manches Mal sogar die Wangen vor Scham erröten ließ. "Ob angezogen oder auch mal nackter, der Novak hat am ganzen Leib Charakter", hieß es im Eröffnungsstück "Aber der Novak lässt mich nicht verkommen", das dank Möhls ebenso eloquenter wie schlüssiger Erörterung sogar zu einem "Lied mit moralischer Message" wurde.Versteckte MoralUnd in der Tat findet sich in fast jedem Stück der damaligen Zeit auch eine versteckte, moralische Note, wenngleich einige der Lieder lange auf dem Index standen. Ob das beim "Kuckucksnest" von Walter Brandin und Boris Jojic auch der Fall war, ist zwar nicht bekannt, aber durchaus möglich. Denn mit Vögeln hat dieses Chanson nur sehr entfernt etwas zu tun, wie auch der Protagonistin darin schnell klar wird. Aber so unschuldig dreinblickend naiv, wie Margret Gampper mit großen Augen am Bühnenrand stand und mit schweizer Dialekt vom "Kuckucksneschd" berichtete, konnte man nicht anders, als der naiven Erzählerin jedes Wort zu glauben. Heutzutage fast schon unglaublich wirken hingegen die Anekdoten aus dem "Handbuch für die gute Ehefrau". Auch wenn es von den männlichen Besuchern mit Applaus bedacht wurde, Tipps wie "Räumen Sie die Wohnung auf, bevor Ihr Mann nach Hause kommt", scheinen heute eher absurd und abenteuerlich. Wohingegen das "Buch der Etikette" schon vor 60 Jahren wusste, dass lange Unterhosen beim Herrn eher unsexy sind. Dass dem offensichtlich heute noch so ist, war am Beifall der anwesenden Damen zu erkennen. Gampper und Möhl sind auf der Bühne zu Hause. Wenn es dieses Duo nicht gäbe, man müsste es glatt erfinden.

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