"Ihr könnt was bewegen"

Neunkirchen. "Es wäre nicht mein Ding, mit erhobenem Zeigefinger zu euch zu kommen. Ich will mit euch reden, meine Geschichte erzählen. Ich bin kein VIP, ich bin jemand, der einen Arsch in der Hose hat", so begrüßte Joachim Franz am Mittwoch mehr als 500 Schülerinnen und Schüler in der Aula des Gymnasiums am Krebsberg

Neunkirchen. "Es wäre nicht mein Ding, mit erhobenem Zeigefinger zu euch zu kommen. Ich will mit euch reden, meine Geschichte erzählen. Ich bin kein VIP, ich bin jemand, der einen Arsch in der Hose hat", so begrüßte Joachim Franz am Mittwoch mehr als 500 Schülerinnen und Schüler in der Aula des Gymnasiums am Krebsberg. Auf Einladung der Sparkasse Neunkirchen sowie der Ottweiler Baugesellschaft sprach Franz vor Schülern der Gymnasien im Kreis sowie der Gesamtschule Neunkirchen. Waren die Jugendlichen zu Beginn des Vortrags noch unruhig, so hätte man schon nach wenigen Minuten trotz der großen Zuhörerzahl eine Nadel fallen hören. Sehr schnell hatte der Europäer des Jahres die Jugendlichen eingefangen. Gefangen genommen mit Fakten zum Thema Aids. "Alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an Aids. Da, jetzt schon wieder, umgefallen irgendwo. Wir sehen es nicht, doch es passiert, und wir lernen immer besser wegzuschauen. Seit 27 Jahren schauen wir weg, wenn jeden Tag 8400 Menschen an Aids sterben", sagt der Extremsportler und Aids-Aktivist. Es folgt seine ureigene Geschichte, die bis zu seinem 30. Lebensjahr exemplarisch ist für einen, der in Wolfsburg geboren wurde. Sein Vater hatte ihm eine Lehrstelle besorgt und ihm nach drei Jahren zum Facharbeiter gratulieren können. Es folgten Jahre der Schichtarbeit, Franz wurde immer träger und nahm an Gewicht zu. "Dann hatte ich mit 123 Kilo eine Morgenvision. Ich wollte Sport machen", erzählt er. Doch sehr weit kam er beim ersten Anlauf nicht, weiß auch warum. "Jeden Tag haben die Menschen Wahnsinns-Morgen-Ideen, doch am Abend ist alles vergessen. Der Grund ist einfach: Man kann nicht loslaufen, wenn man nicht weiß, wo man steht. Man muss sich positionieren." Und Franz hat sich vor knapp 20 Jahren positioniert und ist losgelaufen, Marathon, Iron Man und zahlreiche Wettbewerbe folgten. "Doch das war alles von anderen organisiert, ich wollte etwas Eigenes machen", erzählt er und hat längst alle in der Aula in seinen Bann gezogen. Viele sportliche Ausnahmeleistungen hat er vollbracht und dabei viel Geld gesammelt für wohltätige Zwecke. Dabei ist er besondere Wege gegangen, war bewusst anders, als die Gesellschaft es erwartet. "Alles was anders ist, macht den Deutschen Angst, eine Gesellschaft der Angsthasen." Er hat Begegnungen mit Menschen mit Behinderungen gehabt und durch sie gelernt, ein Team zu führen. "Jeder Mensch ist einmalig" - das ist seine Überzeugung. Und als er eher zufällig in ein Sterbehaus in Manila kommt, gibt das seinem Leben 1999 erneut eine drastische Wende. "Tu nicht so, als ob du die Welt ändern könntest" - diesen Vorwurf musste er sich anhören, doch er kämpft fortan für Aids-Kranke auf der ganzen Welt. "Nein, ich habe kein Aids und ich bin auch nicht schwul, doch das ist auch nicht nötig, wenn man dieses Elend, das durch Unwissen, aber auch die Politik gefördert wird, endlich stoppen will", sagt er und zeigt Bilder kleiner philippinischer Mädchen, seine "kleinen Freundinnen", die längst tot sind, gestorben an Aids. "Be your own hero" ("Sei dein eigener Held") - unter diesem Motto ist er losgezogen zu seiner Aidsexpedition. "Ihr seid durch diese Türen gekommen und geht da auch wieder raus. Doch ihr könnt nie mehr sagen, ich hab es nicht gewusst. Wir brauchen euch, es gibt so viele Themen, gebt uns eure Ideen, ihr könnt die Welt verändern", fordert er sein völlig begeistertes, aber auch zutiefst berührtes Publikum auf. "Alles was anders ist, macht den Deutschen Angst, eine Gesellschaft der Angsthasen."Joachim Franz

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