Deutsche Sprache, schöne Sprache

Neunkirchen. Josip Sunjic hat Ferien - und geht trotzdem zum Unterricht. Der 14-Jährige hätte ausschlafen können. Stattdessen hat er sich früh morgens den Schlaf aus den Augen gewischt und ist zum Neunkircher Kommunikationszentrum gefahren. Dort nimmt er an einem kostenlosen Deutsch-Intensiv-Kurs teil, den die Universität des Saarlandes und die Stiftung Mercator anbieten

Neunkirchen. Josip Sunjic hat Ferien - und geht trotzdem zum Unterricht. Der 14-Jährige hätte ausschlafen können. Stattdessen hat er sich früh morgens den Schlaf aus den Augen gewischt und ist zum Neunkircher Kommunikationszentrum gefahren. Dort nimmt er an einem kostenlosen Deutsch-Intensiv-Kurs teil, den die Universität des Saarlandes und die Stiftung Mercator anbieten. Der Kurs gehört zum Projekt "Förderunterricht für Schüler mit Migrationshintergrund". Zehn Kinder aus verschiedenen Ländern, Moslems und Christen, haben gerne aufs Faulenzen verzichtet und das Angebot angenommen.Josip ist zwar in Deutschland geboren, hat aber ab seinem zweiten Lebensjahr in Kroatien gelebt und ist erst vor zwei Monaten ins Saarland gekommen. Er hat ein Ziel vor Augen: "So schnell so gut wie möglich Deutsch lernen."Nun stehen Josip und Co. in der Mitte des Raumes und präsentieren - anfangs schüchtern, später stolz - was sie in den vergangenen Tagen geleistet haben. Sie sprechen vor Publikum: Eltern hören zu, die Kamera des Fotografen blitzt.Die Kinder und Jugendlichen haben im Kurs für eine Fotostory zum Thema "Streit unter Freunden" posiert, sie fotografiert und aufgeschrieben. Sind im Saarpark-Center als Reporter der Frage nachgegangen, was den Kunden dort fehlt. Und sie haben ein Plakat für einen (noch zu gründenden) Fußballklub entworfen. Das Logo: eine Weltkugel mit einer Krone und Flügeln an den Seiten. Der Vereinsslogan: "Ich kann", übersetzt in vier weitere Sprachen.Mit diesen Aufgaben konnten die Studenten, die sich für das Projekt engagieren, die Kinder trotz Ferien ködern: "Sie sind alle regelmäßig gekommen", sagt Lehramtsstudentin und Förderlehrerin Katja Hobstetter. Warum sie sich engagiert? "Weil ich es nicht mehr hören kann, dass Migrantenkinder als Problemkinder bezeichnet werden", sagt sie. "Ja, sie haben sprachliche Probleme, aber sie sind unglaublich motiviert."Dazu tragen auch die Methoden des Projekts bei: "Wir wollen, dass die Kinder Deutsch lernen, indem sie sich kreativ betätigen, etwas erleben", erklärt Hobstetters Kollegin Isthar Greiner. Dadurch dass die jungen Migranten eigene Projekte auf die Beine stellen, "machen sie die Erfahrung, dass sie sich in der neuen Sprache schon auf vielfältige Weise ausdrücken können. Das gibt ihnen Selbstvertrauen und Mut."Josip will weiter zum Förderunterricht gehen: "Ich will unbedingt bessere Noten haben, weil ich einen guten Job haben und eine Familie gründen will", sagt er entschlossen. Vor zwei Jahren ist seine Mutter gestorben; mit seinem Vater ist er ausgewandert, "weil wir hier ein neues, besseres Leben beginnen wollen". Er weiß, dass es nicht einfach wird: "Aber ich bin ein harter Junge." Deshalb will er weiter an sich arbeiten. Wie er die deutsche Sprache findet? "Sie ist schwierig, gefällt mir aber schon fast genauso gut wie Kroatisch." Meinung

VerkannteMigranten

Von SZ-RedaktionsmitgliedGregor Haschnik Die Integrationsdiskussion lässt glauben, es gäbe kaum Integrationswillige. Doch es gibt sehr viele - wie die Kinder im Intensivkurs. Für sie sind die brachialen Beiträge zur Debatte Ohrfeigen. Einfühlen und Differenzieren ist nicht Verharmlosen, sondern trägt zur Lösung bei: Zum Rückzug der meisten Migranten führen Ängste, Komplexe und Enttäuschungen - die die reißerische Rhetorik Sarrazins weiter schürt. Klar ist aber auch: Migranten müssen mehr als andere tun, vor allem Deutsch lernen. Sprache baut Ängste ab, gibt Selbstvertrauen und ermöglicht ein Aufeinanderzugehen. HIntergrundFörderunterricht für Schüler mit Migrationshintergrund gibt es im Saarland seit 2005. Als Förderer setzen sich Studenten ein, die dafür ausgebildet sind, Deutsch als Zweitsprache zu vermitteln. Die Schüler werden ein, zwei mal pro Woche in Kleingruppen gefördert, außerhalb der Schulzeit. Neben regelmäßigem Förderunterricht gibt es Intensivkurse und Sonderaktionen wie Theater, Kochen oder Sport. gha

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