SHG-Chef spricht Machtwort

Saarbrücken/Völklingen. Der Streit zwischen dem Betriebsrat und der Leitung der Völklinger SHG-Klinik (1100 Mitarbeiter, davon etwa 800 im Pflegebereich) wegen der Anerkennung der Umkleidezeit als Arbeitszeit sorgt weiter für Turbulenzen

 Die Klinik der Saarland Heilstätten GmbH (SHG) in Völklingen. Foto: Maurer

Die Klinik der Saarland Heilstätten GmbH (SHG) in Völklingen. Foto: Maurer

Saarbrücken/Völklingen. Der Streit zwischen dem Betriebsrat und der Leitung der Völklinger SHG-Klinik (1100 Mitarbeiter, davon etwa 800 im Pflegebereich) wegen der Anerkennung der Umkleidezeit als Arbeitszeit sorgt weiter für Turbulenzen. Jetzt hat sich mit Alfons Vogtel der Geschäftsführer der gesamten Firmengruppe der Saarland Heilstätten GmbH (SHG) eingeschaltet und ein Machtwort gesprochen. In einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, weist er die Völklinger Verwaltungsdirektorin Gabriele Haser und weitere Adressaten an der Klinik-Spitze ausdrücklich an, einen Beschluss des Arbeitsgerichtes Saarbrücken bis zur Entscheidung der zweiten Instanz umzusetzen. Demnach müssen die Zeiten, die Pflegekräfte für den Wechsel ihrer Dienstkleidung benötigen, als Arbeitszeit berücksichtigt werden. So werde es auch "an allen anderen Standorten der SHG gehandhabt", heißt es in dem Brief, den Aufsichtsratschef Peter Gillo (SPD) zur Kenntnis erhielt. Vogtel scheint verärgert über die Völklinger Verwaltungsspitze. "Mir ist zudem auch kein saarländisches Krankenhaus bekannt, das Umkleidezeiten nicht als Arbeitszeiten bewertet. Durch einen solchen Alleingang würde erheblicher Imageschaden für die gesamte SHG entstehen, den es - insbesondere im Hinblick auf die zukünftige Gewinnung von Fachkräften im medizinischen und pflegerischen Bereich - unbedingt zu verhindern gilt." Der SHG-Chef lässt sein Völklinger Management wissen: "Ich erwarte unverzügliche Umsetzung."Zum Hintergrund: Unsere Zeitung hatte Ende Mai über den Beschluss des Saarbrücker Arbeitsgerichts berichtet, mit dem der Klinikspitze bei Androhung von Ordnungsgeld untersagt wird, "Maßnahmen zu treffen, die darauf gerichtet sind", dass die Zeit für den Kleiderwechsel des Personals nicht als Arbeitszeit erfasst werde. Der Völklinger Betriebsrat hatte diese Entscheidung über seinen Rechtsanwalt Markus Dönneweg erstritten. Die Klinikleitung setzt nun auf das Landesarbeitsgericht, dessen Entscheidung noch aussteht. Allerdings ist der Beschluss der ersten Instanz vorläufig vollstreckbar.

Mit einem Brief an die Belegschaft reagierten Verwaltungschefin Haser und Pflegedirektorin Monika Klein auf den Gerichtsbeschluss und die SZ-Berichterstattung. Die überraschende Botschaft: Die meisten Mitarbeiter (Ausnahmen OP-Bereich, Intensivstation und andere Funktionsabteilungen) seien überhaupt nicht verpflichtet, die zur Verfügung gestellte Kleidung zu tragen. Das Gericht habe leider keine Chance gelassen, dies vorzutragen und sei deshalb bei der Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Die Dienstkleidung werde zwar weiter kostenlos angeboten und gereinigt, das Umkleiden könne aber nicht vergütet werden. Für Leute, die deshalb Dienst in Privatkleidung bevorzugten, würden auf den Stationen "zusätzlich Einmalschutzkittel" bereitgestellt.

Die Verdi-Betriebsgruppe rief prompt auf, künftig in Pyjama oder Nachthemd zur Arbeit zu kommen. Gewerkschaftssekretär Michael Quetting: "Wir hatten die Lacher auf unserer Seite!" Zum Dienst im Schlafanzug kam es nicht. Die Klinikleitung zog ihren Brief zurück, Verdi sagte die Pyjama-Aktion ab. Hasers Vertreter Peter Zwirner räumte ein, der Brief habe "Irritationen" ausgelöst.

Der Rückwärtsgang wurde wohl wegen der Anweisung von SHG-Chef Vogtel, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, eingelegt. Aktuell suchen Betriebsrat und Direktion den Konsens. Zwirner sagte, die Hausspitze habe Lösungsvorschläge unterbreitet. "Ich erwarte unverzügliche Umsetzung!"

SHG-Chef Alfons Vogtel in seiner Anweisung an die Völklinger Klinikleitung

Meinung

Vogtel zieht die Notbremse

Von SZ-RedakteurMichael Jungmann

Es ist keine Frage: Die Akut-Kliniken im Land stehen unter enormen Kostendruck, müssen jeden Cent umdrehen, weil die Krankenkassen den Geldhahn abdrehen. Dies rechtfertigt aber keinesfalls die Eskapaden der Völklinger SHG-Verwaltungsspitze, die vor dem Arbeitsgericht eine Bauchlandung erlebte und offenbar in Trotzhaltung fiel. Die Idee, Pflegekräfte, die - wie anderswo üblich - die Zeit für den Wechsel in die Dienstklamotten bezahlt haben wollen, könnten in privater Kleidung arbeiten, erinnert an einen schlechten Treppenwitz. Immerhin gibt es noch Hygienevorschriften zu beachten. Die Verwaltungsspitze hat sich und der Klinik einen Bärendienst erwiesen und das Betriebsklima belastet. SHG-Chef Vogtel war gut beraten, im Interesse der SHG-Gruppe, die Notbremse zu ziehen.

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