Hilfe für Betroffene Damit Sterneneltern nicht alleine sind

Homburg/Schwarzenholz · Der Verein Sterneneltern Saarland mit Sitz in Schwarzenholz unterstützt Eltern, die während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt ihr Kind verloren haben.

 Sandra Kern (links) und Rebecca Körner in ihren Vereinsräumen in Schwarzenholz. Sandra Kern hält einen kleinen Sarg, Rebecca Körner hat Kleidung mit Andenken des gleichen Stoffs in der Hand – Letzteres hat das Nähteam des Vereins Sterneneltern Saarland gefertigt.

Sandra Kern (links) und Rebecca Körner in ihren Vereinsräumen in Schwarzenholz. Sandra Kern hält einen kleinen Sarg, Rebecca Körner hat Kleidung mit Andenken des gleichen Stoffs in der Hand – Letzteres hat das Nähteam des Vereins Sterneneltern Saarland gefertigt.

Foto: Thomas Seeber

Da war die unbändige Trauer. Die Wut. Und vor allem der Gedanke: „Es muss sich etwas ändern“. Er ließ Sandra Kern nicht mehr los. Das war vor fünf Jahren. Heute ist die 34-jährige Schwarzenholzerin Vorsitzende der „Sterneneltern Saarland“, des einzigen Vereines dieser Art im Land. Er entwickelte sich aus einer Selbsthilfegruppe, die sie gegründet hat. 60 Mitglieder hat er. Ehrenamtliche des Vereins unterstützen Sterneneltern – Eltern, die ihr Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verloren haben. Zu Sterneneltern wird man von einem Moment auf den anderen. Und muss plötzlich Fragen beantworten, über die man sich noch nie Gedanken gemacht hat.

Das weiß Sandra Kern aus eigener, schmerzlicher Erfahrung. Drei Kinder hat die Bürokaufffrau in Elternzeit – und ein Sternenkind: 2015 verlor sie ihren Sohn Raphael. Beim Frauenarzt war sie, in der 31. Schwangerschaftswoche, zum Check-up. Doch was mit Entspanntheit und der Vorfreude aufs nächste Ultraschallbild begann, entwickelte sich in wenigen Minuten zum Albtraum. „Keine Herztöne“ lautete die Diagnose; sie sollte sofort ins Krankenhaus. Ein Schock: „Ich konnte gar nicht mehr klar denken. Kaum hatte ich entbunden, sollte ich schon einen Bestatter suchen.“ Das Personal im Krankenhaus, erzählt sie, sei „komplett überfordert“ gewesen. „Da gab es keinen Trauerbegleiter, keine psychologische Betreuung.“ Auf Nachfrage bekam sie nur eine Liste mit 30 Psychologen. Allen sprach sie auf den Anrufbeantworter, nur einer rief zurück. Und ihr kleiner Sohn, auf den sie sich so gefreut hatte, „wurde im Kühlschrank neben den Blutkonserven gelagert statt ihn an anderer Stelle würdevoll zu betten“.

„Wir wussten nichts, wurden nicht aufgeklärt. Erst beim Bestatter haben wir uns wohlgefühlt.“ Er, sagt sie, habe dafür gesorgt, dass der Familie wenigstens ein Erinnerungsstück an den Jungen blieb – ein Foto.

Erinnerungen schaffen, diese festhalten, für die Betroffenen da sein, das ist wichtig für den Trauerprozess, betont sie. „Man hat sich ja auf das Kind gefreut. Dann kommt man nach Hause und findet ein leeres Kinderbettchen vor sich“, beschreibt Kern die unwirklich-furchtbare Situation von Eltern, die ihr Kind verloren haben. Und erzählt auch von den Ängsten, die sie bei den nächsten Schwangerschaften plagten.

Zusammen mit ihrer Vereinskollegin Dr. Rebecca Körner aus Überherrn sitzt sie am Tisch ihrer angemieteten Vereinsräume, die sich in Schwarzenholz in der Hohlstraße befinden. In der Nähe fängt ein großer grauer Flauschteppich das Auge, umrandet von Sitzsäcken und kleinen Tischen mit Taschentüchern in der Box. Alles ist gemütlich, in grün und grau gehalten. „Hier finden unsere Gesprächskreise statt“, erklärt Körner. Hier werden auch Materialien gelagert und Einzelgespräche geführt.

Drei Schwerpunkte hat der Verein, erzählen die beiden: Neben den Gruppen, in denen sich Eltern mit dem gleichen Schicksal austauschen, bietet er, auch online, Aufklärungsarbeit und Beratung – zum Beispiel zum Thema Bestattung. Und, vor allem: Er unterstützt die Sterneneltern in der Akutsituation. Damit sie sich nicht so alleingelassen und hilflos fühlen wie einst die Vereinsgründerin. Die Angebote sind für die Eltern kostenlos.

Die 38-jährige Körner ist zuständig für das Notfallteam. Drückt jemand den Notfallbutton auf der Internetseite, bekommen die Ehrenamtler eine Nachricht auf ihrem Handy: „Dann wird eine Kaskade ausgelöst, wir nehmen Kontakt mit den Personen auf.“ Und das so schnell wie möglich. Bei Bedarf fahren dann zwei Helfer ins Krankenhaus, trauern mit den Eltern. Sie bieten auch Infomaterialien und Kleidung für das Sternenkind, stellen 3D-Hand- oder Fußabdrücke oder andere Andenken zur Verfügung. Der Verein vermittelt Ansprechpartner, zum Beispiel Fotografen, die den Moment nach der Geburt festhalten, Bestatter oder Trauerredner oder Hebammen zur Nachsorge.

16 Eltern wurden auf diese Weise 2019 in Krankenhäusern betreut – dazu kamen „unzählige Beratungsgespräche“, erzählt Körner. Die Ärztin hat ebenfalls ein Kind verloren, in der neunten Schwangerschaftswoche. „Sternchen“ nennt sie es. Auch sie, die später zwei gesunde Kinder auf die Welt brachte, ließ die Trauer nicht los. Auch sie fühlte sich in ihrem Schmerz nicht verstanden. „Es hat mich total aus der Bahn geworfen.“

„Jedes Kind hat es verdient, nicht nur im Herzen, sondern auch im täglichen Leben der Eltern und der Familie einen Platz zu finden; sei es mit Fotos, Abdrücken oder anderen Andenken. Ebenso haben die Eltern das Recht, Erinnerungen an ihr Kind für die Zukunft festzuhalten und diesen kurzen Moment, der nie wiederkehrt, in Ruhe zu erleben“, heißt es im Faltblatt des Vereins. Das Thema, so der Wunsch der Engagierten, soll aus der Tabu-Zone raus. „Was viele Außenstehende nicht verstehen, ist, dass ein Sternkind kein Trauma ist, das vergessen werden muss, sondern ein Mitglied unserer Familie, an das wir denken möchten.“

 Um die Arbeit zu verstetigen, braucht der Verein Unterstützung, beispielsweise durch Spenden. Aber auch Helfer für die Trauerbegleitung, für die Gesprächskreise, für das Näh-Häkel-Strick-Team, für die Verwaltung und Co. werden gesucht, betonen die beiden Ehrenamtlerinnen. Durch Familie, Arbeit, Verein und Co. kommen sie schnell an ihre Grenzen. Sie hoffen auch, dass die Kliniken mehr über ihre Arbeit informieren.

Dass das Tun der „Sterneneltern Saarland“ ebenso geschätzt und wie gebraucht wird, erleben Sandra Kern und Rebecca Körner immer wieder. Niemals hätten sie gedacht, dass es so viele Betroffene gebe, dass sie Resonanz so groß sei, sagen sie. Immer mal wieder kommen ältere Frauen, deren schlimme Erfahrung zwar lange zurückliegt – doch verwunden haben sie das Erlebte nicht wirklich: „Viele sagen: Hätte es damals nur schon so etwas gegeben. Hätte ich das nur gewusst.“

Kontakt: www.sternenelternsaarland.de, E-Mail: verein@sternenelternsaarland.de, Facebook: fb.com/sternenelternsaarland 

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