Jazzwochen Jazz und seine Geschichte in Bilder gefasst

SAARWELLINGEN · Der Homburger Maler und Grafiker J.N.R. Wiedemann begleitet in einer Ausstellung die 16. Saarwellinger Jazzwochen mit grafischen Werken.

 J.N.R. Wiedemann vor seiner Arbeit zu Billie Holiday.

J.N.R. Wiedemann vor seiner Arbeit zu Billie Holiday.

Foto: Gerhard Alt

Synästhetiker können Töne in Farben sehen und Farben in Tönen hören, also Sinneseindrücke aus verschiedenen Wahrnehmungsbereichen verknüpft erleben. Synästhesie ist aber selten. Die allermeisten Menschen sind auf Hilfen angewiesen, wenn Sie ähnliche Erfahrungen machen wollen.

J. N. R. Wiedemann, nicht zufällig sowohl Bildender Künstler als auch Musiker, setzt Jazzmusik in Bilder um. Wie im modernen Jazz mehrere Elemente des Rhythmus und der Melodie übereinander zu liegen kommen, dazu noch blue notes über den Akkorden improvisiert werden, so schichtet Wiedemann für seine Bilder mehrere transparente Overheadfolien, die er jede für sich mit Fotos, grafischen Abbildungen und Zeichnungen bearbeitet hat, übereinander. Die entstandenen Sandwich-Vorlagen belichtet er im Cibachrome-Verfahren. So entstehen edle Mischtechnik-Fine-Art-Digitalprint-Drucke auf Bütten. Sie haben eine eigentümliche grafische Wirkung und sehr komplexe, dichte Inhalte.

„Jazz-Impressions & More“ heißt die Ausstellung, die am Freitag eröffnet wurde. Der Kurator Roland Schmitt vom Kulturförderverein lobte die kluge Hängung. Die Saarwellinger Kulturmanagerin Cornelia Rohe verriet in ihrer Ansprache, dass die Initialen J.N.R. für Johann Nepumuk Reinhard stünden, sie selbst den Künstler aber als Schlagzeuger „Hans“ von Jam-Sessions im Rathauskeller kenne – und dass er zur Kunstrichtung „Neue Figuration“ gehöre, Absolvent der Staatlichen Hochschule Stuttgart sei, sich in der Tradition von Otto Dix und Francisco de Goya sehe und im Deutschen Bundestag und in der Saarländischen Staatskanzlei mit Werken vertreten sei.

Wiedemann rückt soziokulturelle Aspekte der Jazzgeschichte ins Bild, zeigt Musiker aus der Anfangszeit des Jazz, farbige Tänzer, die mit ihren Minstrel-Shows Weiße verhöhnten – eine Haltung, die später Miles Davis einnahm, wenn er bei seinen Auftritten Weißen seine Geringschätzung zeigte.

Aber auch die gegenseitige Wertschätzung weißer und farbiger Musiker in den Bigbands der Swing-Ära findet Platz in diesen Bildern. Da sind viele berühmte Musiker der Jazzgeschichte, auch auffallend viele Sängerinnen, zu sehen. Es gibt den Mainstream Jazz, aber auch Paradiesvögel. Vor allem wird Jazz als Bestandteil des urbanen Lebens mit collagehaften Impressionen, Markenschriftzügen und Plakat-Ausschnitten gezeigt. Bemerkenswert ist der lockere Strich Wiedemanns und seine minimalistischen Zeichnungen, welche durch die mehrfache Schichtung an Kraft gewinnen.

In einem kleinen Werk fließen die Finger eines Pianisten und die Tasten des Klaviers ineinander. In einem anderen wird die geschwungene Form von Saxofonen prägend fürs Wellenmuster des ganzen Bildes. Im zweiten Raum präsentiert Wiedemann 13 frostige Reisebilder von Norwegen und Spitzbergen. Man mag an die „Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny und die gescheiterten Expeditionen auf der Suche nach der Nordostpassage denken – und an die düsteren Traumprotokolle von Alfred Kubin.

Von Licht zu sprechen, wäre fast schon eine Übertreibung. Es herrscht eine eisig-blaue Atmosphäre. Die als Scherenschnitte einmontierten Bäume wirken meist wie ein Verhau, eröffnen aber dennoch den Blick in eine fremde, menschenleere Welt.

Die Ausstellung kann dienstags bis samstags von 18 bis 22 Uhr besichtigt werden. Sie endet mit einem Künstlergespräch am Sonntag, 29. März, das um 11 Uhr beginnt.

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