Jazz Jazzige Verwandtschaftsgeflechte

SAARWELLINGEN · Das Dizzy-Krisch-Quartett hat am Freitag die 16. Saarwellinger Jazzwochen eröffnet. „Vibraphon Diaries – Sternstunden des Vibraphon-Jazz“ lockte ein großes Publikum an, das sich bisweilen auch an Monsieur Hulot erinnert sah.

  Zur Eröffnung der Saarwellinger Jazzwochen spielten die Brüder Dizzy und Claus Krisch (Vibraphon, Flügel), Dieter Schumacher (Schlagzeug) und Karoline Höfler (Kontrabass).    Foto: Gerhard Alt

Zur Eröffnung der Saarwellinger Jazzwochen spielten die Brüder Dizzy und Claus Krisch (Vibraphon, Flügel), Dieter Schumacher (Schlagzeug) und Karoline Höfler (Kontrabass). Foto: Gerhard Alt

Foto: Gerhard Alt

Ein ganzes Leben treten die Brüder Dizzy und Claus Krisch schon gemeinsam auf – jetzt nach zwei Jahren auch wieder in Saarwellingen. Aus dem Schwarzwald hat Dizzy nicht nur seine Schwägerin, die Kontrabassistin Karoline Höfler, und seinen langjährigen „Bruder im Geiste“, den Schlagzeuger Dieter Schumacher, mitgebracht, sondern auch Stücke von amerikanischen Vibrafonisten, denen er sich verwandt fühlt. Das waren Namen, die nur den ganz Jazzkundigen im nahezu komplett besetzten Saal geläufig waren: Gary Burton, Bobby Hutcherson und Walt Dickerson.

Dizzy Krisch nannte die Musiker, verzichtete aber auf Belehrungen. Er stellte die Kompositionen für seine „Vibraphon Diaries“ so zusammen, dass es nicht einzelne „Tagebuch“-Einträge blieben, sondern ein zusammenhängendes Journal entstand, das als ganzes, nämlich als ein wohl abgestimmtes Konzert funktionierte.

In gewissem Sinne kann von Emanzipation gesprochen werden. Wie die oben genannten Vibrafonisten sich zunächst den übergroßen Vater des modernen Vibrafonspiels, Milt Jackson vom legendären „Modern-Jazz-Quartet“, zum Vorbild nahmen, dann aber eigene Spielweisen entwickelten, so hat Dizzy Krisch und sein Quartett längst einen eigenen Ausdruck gefunden, ohne jedoch die mitunter recht komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse zu leugnen. Beispielsweise bedient Dizzy Krisch wie Bobby Hutcherson kaum das Pedal am Vibrafon und spielt wie dieser und wie Gary Burton oft mit vier Schlägeln. Und wie Walt Dickerson verwendet er „Soft Mallets“, weiche Schlägel.

Aber Krisch hat eine eigene Tonsprache. Es entsteht ein für das Krisch-Quartett typischer Sound, welcher von harmonisch-melodischen Klanggeflechten und rhythmischer Vertrautheit gekennzeichnet ist – familiär sozusagen. So entstand eine unangestrengte, entspannte, dennoch konzentrierte Konzert-Atmosphäre. Diese war entscheidend dafür, dass auch Besucher, denen nicht viel an Musikhistorie und -theorie gelegen ist, ihr Vergnügen an den „Vibraphon Diaries“ hatten und einen schönen Abend im Alten Rathaus verbrachten.

Wer beim Zuhören seiner Fantasie freien Lauf ließ, konnte die Verwandtschaft mit Filmmusik ausmalen, in einen Film Noir eintauchen oder Monsieur Hulot (Jacques Tati) um die Ecke biegen sehen. Die Verwandtschaft des Vibrafons mit dem Schlagzeug trat im Konzert mehrfach zutage, etwa wenn Schumacher, der auf Solo-Improvisation fast verzichtete, bei einem Walzer kreative Rhythmusvarianten einbaute. Karoline Höfer spielte den Kontrabass vor allem als Begleit-Instrument, strich die Saiten einige Male mit dem Bogen, übernahm gelegentlich die Melodieführung und steuerte ein paar melancholische Improvisationen bei.

Ebenso wie Dizzy Krisch am Vibrafon improvisierte sein in Saarlouis lebender Bruder Claus, der Pate für den Jazz in Saarwellingen, am Flügel herrliche, einfallsreiche, meist lyrische Eigenkreationen über den Akkorden der vorgegebenen Melodie – Familienähnlichkeit an zwei verschiedenen Instrumenten.

Im Rahmen der Saarwellinger Jazzwochen sind bis 29. März Konzerte jeweils freitagabends und sonntagvormittags. Informationen und Platzreservierung unter Telefon (0 68 38) 9 00 71 28 sowie per Mail an kultur@saarwellingen.de.

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