Gedenken Platz wird nach Willi Graf benannt

Dillingen · Das später hingerichtete Mitglied der Weißen Rose musste in der NS-Zeit Reichsarbeitsdienst in Dillingen leisten.

 Bürgermeister Franz-Josef Berg bei der Einweihung des Willi-Graf-Platzes in Dillingen.

Bürgermeister Franz-Josef Berg bei der Einweihung des Willi-Graf-Platzes in Dillingen.

Foto: Stadt Dillingen/Schmidt

Die Stadt Dillingen hat einen Platz in der Innenstadt nach dem Widerstandskämpfer Willi Graf benannt. Vorausgegangen war der Antrag von Gerhard Kaestle, damals Stadtverordneter, Ende 2018 im Stadtrat. Am Platz an der Werderstraße, zwischen Scharnhorststraße und Schmittenbachstraße, erläuterte Bürgermeister Franz-Josef Berg in einer Rede den Werdegang Willi Grafs und seine Beziehung zu Dillingen.

Willi Graf wurde am 2. Januar 1918 in der Nähe von Bonn geboren und zog 1922 mit seiner Familie nach Saarbrücken, wo sein Vater Gerhard Graf den Johannishof der katholischen Kirchengemeinde St. Johann übernahm. Streng katholisch erzogen, trat Willi Graf als Jugendlicher in den Bund Neudeutschland (ND) ein, den katholischen Verband für Jungen höherer Schulen, der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verboten wurde. Im Jahr 1934 schloss er sich dem Grauen Orden an, einem gegen die Hitler-Diktatur stehenden, verbotenen katholischen Jugendbund. Als nach der Saarabstimmung 1935 die Wiedereingliederung des Saargebietes ins Deutsche Reich erfolgte, weigerte sich Willi Graf, der Hitlerjugend beizutreten. Nach seinem Abitur am Ludwigsgymnasium absolvierte Willi Graf von April bis Oktober 1937 in Dillingen den verpflichtenden Reichsarbeitsdienst.

Seit Herbst 1936 bestand in Dillingen östlich des Stadions, also in unmittelbarer Nähe des jetzigen Willi-Graf-Platzes, das Reichsarbeitsdienstlager 5/323 mit dem Namen „Irminsul“. Helmut Gressung, Freund von Willi Graf, und zur gleichen Zeit im RAD, schilderte: „Die Arbeit war wohl körperlich anstrengend, aber eintönig und sinnlos: Es wurden vor allem Begradigungen an dem Flüsschen Prims vorgenommen, die kaum Sinn hatten und auch nicht lange hielten.“ Er beschrieb auch: „Als solche, die mit ihrem katholischen Glauben nicht hinter dem Berg hielten, waren wir manchen Schikanen ausgesetzt. Man bemühte sich, sonntagvormittags, wenn wir in die Kirche wollten, Dienst anzusetzen, der uns daran hindern sollte. Willi Graf und unsere kleine katholische Gruppe sprachen bei dem Lagerleiter vor und blieben so lange bei unserer Forderung, zum Besuch des Gottesdienstes das Lager verlassen zu dürfen, bis der Lagerleiter verärgert und entnervt erklärte, dann sollten wir halt gehen.“ Diesen Gottesdienst wird Willi Graf wohl in der nächstgelegenen Kirche, dem Saardom, besucht haben.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 wurde Willi Graf zur Wehrmacht eingezogen. In den Jahren 1940 bis 1942 nahm er als Sanitäter an Kriegseinsätzen in Belgien, Frankreich, Jugoslawien, Polen und Russland teil. Dabei wurde er mehrfach Zeuge von Gräueltaten, und ihm wurde das Leid der vom Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Zivilbevölkerung bewusst. Nach Erinnerungen seiner Schwester Anneliese führte das bei ihm zu der Erkenntnis: „Ich muss etwas tun!“

In die Geschichte ging Graf als Mitglied der Weißen Rose ein, der Widerstandsgruppe an der Universität in München, der er sich 1942 anschloss. Im Februar 1943 wurden zunächst Hans und Sophie Scholl gefasst und inhaftiert, wenige Stunden später auch Willi Graf. Er wurde im April 1943 zum Tode verurteilt und am 12. Oktober 1943 nach monatelangen Verhören im Gefängnis Stadelheim mit dem Fallbeil enthauptet. 1946 wurden seine sterblichen Überreste exhumiert, nach Saarbrücken überführt und auf dem Alten Friedhof St. Johann in einem Ehrengrab beigesetzt.

Bürgermeister Berg erklärte: „Mit der heutigen Benennung des Willi-Graf-Platzes wollen wir als Stadt ein Zeichen setzten für ein demokratisches Miteinander, gegen jede Art von Intoleranz und Unterdrückung, für ein freies selbstbestimmtes Leben. Willi Graf kann uns auch 75 Jahre nach seiner Hinrichtung noch ein Vorbild sein, seinem Gewissen zu folgen und sich gegen totalitäre Ansichten aufzulehnen. Mit seiner Entscheidung, einen Platz nach ihm zu benennen, hat der Stadtrat als gewählte Vertretung aller Bürger Dillingens ein Zeichen gesetzt für eine freie demokratische Gesellschaft.“

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