Gendermedizin Frauen und Männer sind anders krank

Saarbrücken · Saarländische Hausärzte diskutierten mit der Berliner Expertin Vera Regitz-Zagrosek über das Thema „Gender-Medizin“.

 Saarländische Ärzte diskutierten am Wochenende über das Thema „Gender-Medizin“.

Saarländische Ärzte diskutierten am Wochenende über das Thema „Gender-Medizin“.

Foto: dpa/Jens Büttner

Frauen erkranken deutlich mehr als Männer an Depressionen, Rheuma und Alzheimer – umgekehrt erleiden Männer viel öfter akute Entzündungen und Unfälle, sind eher suchtkrank und begehen auch öfter Selbstmord als Frauen. Mit diesen teils überraschenden wissenschaftlichen Erkenntnissen wartete am Wochenende beim 37. Saarländischen Hausärztetag in Saarbrücken die Direktorin des Instituts für „Gender-Medizin“ (geschlechtsspezifische Medizin), Vera Regitz-Zagrosek von der Charité in Berlin, auf. Der Vorsitzende des Saarländischen Hausärzteverbandes, Michael Kulas (Wallerfangen), und sein Stellvertreter, Thomas Rehlinger (Wadern-Nunkirchen), wurden von der Versammlung einstimmig für die nächsten vier Jahre wiedergewählt.

„Vom Männerschnupfen und anderen tödlichen Erkrankungen“, hatten die Verantwortlichen das Thema „Gender-Medizin“ des Hausärztetages etwas süffisant überschrieben. Doch im Vortrag der renommierten Charité-Medizinerin, die einst an der Homburger Uni-Klinik ihre Berufskarriere startete und nach vielen In- und Auslandsstationen nun in die Saar-Heimat zurückkehrte, gab es neben kleinen humoristischen Einlagen auch viele ernste Töne. So berichtete die Kardiologin, dass der plötzliche Herztod von Sportlern in 90 Prozent aller Fälle Männer betrifft – umgekehrt stressindizierte akute Herzerkrankungen zu gleichfalls 90 Prozent Frauen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede von Erkrankungen sind laut Regitz-Zagrosek auf bei Männern und Frauen anders verpackte Gene, unterschiedliche Hormone (Östrogen, Testosteron), aber auch Umweltfaktoren zurückzuführen.

Auch bei Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln gibt es nach Darstellung der Medizinerin Geschlechterunterschiede. Weil aber die Entwicklung neuer Arzneimittel von der Pharmaindustrie bis auf den heutigen Tagfast nur an jungen männlichen – und nicht auch weiblichen – Mäusen erprobt werde, könne diese Unterrepräsentation fatale Folgen haben. So würden älteren Frauen heute öfter falsche ungeeignete Medikamente verschrieben und für den manchmal unumgänglichen Arzneimitteleinsatz bei jüngeren schwangeren Frauen fehlten noch Datenerhebungen zur Risikoeinschätzung. Als die fünf Hauptrisikofaktoren für Herzerkrankungen nannte die Kardiologin Rauchen, Diabetes, Übergewicht, hohen Blutdruck und zu viel Blutfette. „Aber nur 40 Prozent der Frauen und 70 Prozent der Männer schätzen ihr Risiko richtig ein.“ Überraschend auch dies: „Die Anti-Raucherkampagnen erreichen vor allem die Männer, weniger die Frauen.“ und: „Die wichtigste Informationsquelle für die Gesundheit ist nur für knapp die Hälfte der Patienten der Doktor.“ Die knappe Mehrheit der anderen informiert sich in erster Linie über Medien und Internet.

Kulas, wiedergewählter Verbandschef der rund 700 Hausärzte im Saarland, gestand zu: „Die ,Gender-Medizin’ hat im Moment noch keine große Bedeutung in den Praxen.“ Der Saarländische Hausärztetag habe aber schon in der Vergangenheit vom neu gegründeten Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Saar bis zur Familienmedizin wichtige Akzente gesetzt und werde auch das neue Thema perspektivisch angehen.

Auch Gesundheits-Staatssekretär Stephan Kolling (CDU) kündigte an, man werde das Thema wie auch die Telemedizin mit auf die Agenda setzen, um für Patienten neue Wege zu gehen. „Aber wird werden und wollen nichts ohne die Hausärzte tun“, betonte Kolling.

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