Allein in Völklingen leben 1132 Stahlkocher

Völklingen · Fünf vor zwölf: Unter diesem Motto und zu dieser Uhrzeit demonstrieren am Montag Stahlkocher überall in Deutschland. Auch in Völklingen gehen sie auf die Straße. Sie kämpfen für den langfristigen Erhalt ihrer Branche und damit ihrer Arbeitsplätze, erklären Guido Lesch von der IG Metall und Stephan Ahr vom Saarstahl-Betriebsrat beim Redaktionsbesuch.

 Um tonnenschwere Stahl-Blöcke zu formen, muss die Völklinger Saarschmiede ihre Öfen auf 1250 Grad Celsius aufheizen. Ähnlich hohe Temperaturen sind im Stahlwerk nötig – das Energiesparen hat da Grenzen. Archivfoto: Jenal

Um tonnenschwere Stahl-Blöcke zu formen, muss die Völklinger Saarschmiede ihre Öfen auf 1250 Grad Celsius aufheizen. Ähnlich hohe Temperaturen sind im Stahlwerk nötig – das Energiesparen hat da Grenzen. Archivfoto: Jenal

Die Akteure sitzen in Völklingen . Der Gegner ist weit weg, er sitzt in Brüssel. Die Europäische Union (EU) will erreichen, dass weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO 2) in die Luft geblasen wird. Dagegen haben Guido Lesch, zweiter Bevollmächtiger des IG Metall-Verwaltungsbezirks Völklingen , zu dem auch Püttlingen und Heusweiler gehören, und Stephan Ahr, Vorsitzender des Saarstahl-Betriebsrats, überhaupt nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil, sie sind für Umweltschutz. Sie sind auch einverstanden damit, dass es Emissionshandel gibt, dass also Industrie für ihren CO 2-Ausstoß zahlen muss.

Aber jetzt will die EU die Emissionshandel-Vorschriften verschärfen. Es soll teurer werden, CO 2-Zertifikate zu kaufen. Viel teurer. Weil Stahlproduktion viel Energie braucht und die saarländischen Betriebe beim Sparen fast schon die Grenze des technisch Machbaren erreicht hätten, koste das hierzulande 100 Millionen Euro, rechnen Lesch und Ahr vor - jedes Jahr, von 2020 an. Genau damit wird die EU für die beiden Metaller zum Gegner. Sie schlagen Alarm: "Das würde mittelfristig das Ende der hiesigen Stahlindustrie bedeuten."

Die Folgen wären katastrophal für Völklingen und das Umland. Von den 22 000 Menschen, die bei saarländischen Stahl-Betrieben arbeiten, leben allein in Völklingen 1132 - "wie viele das sind, hat mich selbst überrascht", sagt Lesch. Und an jedem Stahl-Arbeitsplatz, ergänzt Ahr, hängen fünf bis sechs weitere Jobs; Kollegen hätten ihm schon öfter gesagt, die aktuellen Brüsseler Pläne kämen ihnen vor "wie Bergbau 2.0". Die Politik, sagt Lesch "spielt mit dem Feuer: Ohne Stahl hat das Saarland keine Zukunft."

Dennoch: Die Völklinger Metaller wollen kein Horror-Szenario ausmalen. Ihren leidenschaftlichen Appell an Stahlkocher und Bürger, beim Stahl-Aktionstag am Montag mit auf die Straße zu gehen, stützen sie vielmehr auf Positives. "Stahl ist der Grundwerkstoff, aus dem die Energie der Zukunft gemacht wird", sagt Lesch. Für die Energiewende - hin zu klimafreundlichen, erneuerbaren Energien, von Wind- bis Wasserkraft - braucht man schließlich Turbinen, Rotoren, Maschinen. Und dafür seien die hochwertigen Stahlsorten besonders geeignet, auf die beispielsweise Saarstahl - mit seiner noch recht neuen, 144 Millionen Euro teuren Völklinger Sekundärmetallurgie - spezialisiert ist, fügt Ahr an. Lesch sekundiert: Solche Spezial-Stähle seien auch ideal für klimafreundliche Mobilität, etwa für Autos in Leichtbauweise. Es sei viel zu kurz gegriffen, sich allein den CO 2-Ausstoß bei der Herstellung von Stahl anzuschauen. Man müsse mitbetrachten, was aus Stahl dann gefertigt wird, wofür die Produkte dienen und was am Ende aus ihnen wird. Unterm Strich, sagt Lesch, habe Stahl eine herausragend gute Ökobilanz .

Zukunfts-Argumente, ziemlich kompliziert. Aber den Völklinger Metallern ist wichtig, zu zeigen, dass sie nicht nur eigene Job-Interessen im Blick haben. Sondern auch die Ökologie.

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Auf einen BlickIn Völklingen ziehen am Montag zum Stahl-Aktionstag drei Demos im Sternmarsch durch die Stadt. Um 10.15 Uhr geht es los am Saarstahl-Walzwerk Nauweiler (Torhaus 10), um 11.15 Uhr am Torhaus 2 und am Völklinger LD-Stahlwerk. Um 11.55 Uhr - also fünf vor zwölf - beginnt die Kundgebung am Hinderburgplatz. Es sprechen Anke Rehlinger (SPD ), Saar-Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin, IG-Metall- und Betriebsratsvertreter sowie Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU ). dd

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