Zweifel am Kommunalpakt

Saarbrücken · Der Kommunalpakt zwischen Land und Kommunen war kaum unterschrieben, als die Flüchtlingskrise richtig begann. Die Versorgung und Integration der Schutzsuchenden geht ins Geld. Sind die Spar-Konzepte der Bürgermeister jetzt Makulatur?

Eine Frage treibt die Kommunalpolitiker im Saarland derzeit um: Ist der Kommunalpakt, den das Land im Juni mit Städten und Gemeinden geschlossen hatte, angesichts zusätzlicher Ausgaben für die Versorgung und Integration tausender Flüchtlinge überhaupt noch zu schaffen? "Als der Kommunalpakt geschlossen wurde, war der derzeitige große Flüchtlingszustrom mit seinen erheblichen Herausforderungen an die Kommunen nicht vorgesehen", sagt etwa der Dillinger Bürgermeister Franz-Josef Berg (CDU ). Die Beschaffung von Wohnraum, neues Personal fürs Herrichten der Wohnungen, für die Betreuung und Integration - das alles geht ins Geld . Außerdem drohe in den nächsten Jahren eine Explosion der Kreisumlage, weil die Landkreise die Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge mit abgeschlossenem Asylverfahren tragen, so Berg.

Der Kommunalpakt sieht vor, dass die Kommunen ab dem Jahr 2024 ganz ohne neue Schulden auskommen - dazu sollen sie unter anderem Personal abbauen und Steuern erhöhen. Im Gegenzug will das Land die Kommunen finanziell unterstützen. Das strukturelle Haushaltsdefizit aller 52 Kommunen, auf dem der Kommunalpakt fußt, hatte Gutachter Martin Junkernheinrich im Frühjahr mit 160 Millionen Euro beziffert - eine Größe, die heute eher schon bei 180 oder 190 Millionen Euro liegen dürfte, wie einige Bürgermeister vermuten.

In den Rathäusern herrschen Verunsicherung und Ratlosigkeit, zum Teil offene Skepsis, was nun aus dem Kommunalpakt werden soll. Eine Umfrage bei mehreren Verwaltungschefs ergab: Das Konzept ist aus ihrer Sicht nur noch dann zu halten, wenn der Bund den Kommunen die zusätzlichen Kosten erstattet, und zwar komplett. Der Ottweiler Bürgermeister Holger Schäfer (CDU ) bezweifelt, ob am Lückenschluss-Modell noch festgehalten werden kann. Schäfer: "Aus hiesiger Sicht ist das Modell und die sich daraus ergebende Berechnung des Sanierungsbeitrages sicherlich zu überdenken und anzupassen."

"Natürlich gibt es eine echte Diskrepanz, wenn wir das im Kommunalpaket vereinbarte Lückenschluss-Modell auf der einen Seite einhalten wollen und auf der anderen Seite kaum absehbare Kosten durch die Flüchtlinge auf uns zukommen", sagt Homburgs Öberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD ). Er halte es aber nicht für richtig, diese "an sich sinnvolle Vereinbarung" nun wieder in Frage zu stellen. "Dann wäre der ernsthafte Sparwille vieler Kommunen sicherlich in Frage gestellt und bisher getroffene Sparentscheidungen würden kaum noch zu halten sein", so Schneidewind. Einzuhalten sei das Modell aber nur, wenn Kosten für Unterbringung und Integration der Flüchtlinge nicht in den normalen Kommunalhaushalt eingerechnet würden. "In der Hoffnung, alle oder zumindest einen großen Teil der entstehenden Kosten vom Bund oder vom Land erstattet zu bekommen, buchen wir diese Kosten getrennt von unserem ‚normalen' Haushalt und geben uns in diesem Rahmen größte Mühe, die vorgegebenen Ziele (Sparen und Einnahmen erhöhen) zu erreichen", so Schneidewind. Die Kommunalaufsicht des Landes rechnet bei der Genehmigung der Haushalte bereits die flüchtlingsbedingten Ausgaben heraus.

Auch der Merziger Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU ) erklärte, das Kommunalpaket und das Lückenschluss-Modell sollten grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden. "Voraussetzung ist aber, dass den Städten und Gemeinden alle externen Belastungen, die über die im Junkernheinrich-Gutachten ausgewiesene strukturelle Lücke hinausgehen, in vollem Umfang erstattet werden."

Saarlouis' Oberbürgermeister Roland Henz (SPD ) sagte, die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung müssen analysiert werden. "Die Kommunen sind der Meinung, dass die Unterbringung von Flüchtlingen eine nationale Aufgabe ist und alle Kosten daher vom Bund zu zahlen sind", so Henz. Das werde mit der Landesregierung diskutiert. "Vom Ergebnis hängt es ab, ob das Kommunalpaket und der vereinbarte Lückenschluss überhaupt durchführbar sind."

Meinung:
Reform nicht infrage stellen

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Es ist klar, dass den Kommunen der geplante finanzielle Lückenschluss bis zum Jahr 2024 nicht mehr gelingen kann. Zwar rechnet die Kommunalaufsicht die Flüchtlingsaufgaben aus dem Haushalt heraus, aber mit diesem Trick sollte man sich nicht selbst froh machen - es wird gewaltige Defizite geben. Leider nutzt mancher die Flüchtlingskrise nun, um Kommunalreformen jedweder Art generell infrage zu stellen. Man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Ja, die Kommunen müssen Personal einstellen, das wird teuer. Aber das ist kein Grund, sinnvolle Ideen für mehr Zusammenarbeit der Kommunen zu begraben - gerade in Bereichen, die mit der Flüchtlingskrise wenig bis nichts zu tun haben.

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