„Saarbrücken verlasse ich nicht“: Gespräch mit Noch-Kulturdezernent Schrader

Saarbrücken · Erik Schrader kam vor acht Jahren aus Berlin als Kulturdezernent nach Saarbrücken. Jetzt hat die Politik seine Position trotz Protesten gestrichen. Besuch bei einem, der seinen Job und Saarbrücken liebt.

 Papa und Dezernent: Erik Schrader bei der Eröffnung einer Ausstellung im Hof der Stadtgalerie mit Töchterchen Lisbeth. Foto: Maurer

Papa und Dezernent: Erik Schrader bei der Eröffnung einer Ausstellung im Hof der Stadtgalerie mit Töchterchen Lisbeth. Foto: Maurer

Foto: Maurer

Der Noch-Dezernent wird wieder Papa. "Im Oktober bekommen wir einen Sohn", sagt Erik Schrader. Und dabei sieht der 43-Jährige so strahlend glücklich aus, dass man fast vergisst, warum man sich eigentlich zum Gespräch verabredet hat.

Seine letzten Tage als Kulturdezernent der Stadt Saarbrücken sind angebrochen. Er geht nicht freiwillig, wie er unumwunden zugibt. Er hat den Job gern gemacht. Dass ihn, den FDP-Mann ohne Hausmacht, die anderen Fraktionen einsparen könnten, kam nicht nur für ihn im Frühjahr Knall auf Fall.

An der Wand seines kleinen Besprechungszimmers lehnt in schützende Folie verpackt ein riesiges Künstler-Foto. Es zeigt den Light Act, jenes spektakuläre Lichtprojekt der Kunsthochschule, das im letzten Jahr die Berliner Promenade verzauberte. Die Stadt hat es angekauft. "Aber wir haben noch nicht entschieden, wo wir es aufhängen", sagt der Noch-Kulturdezernent. Womöglich wird er sich darum gar nicht mehr selbst kümmern können. Immerhin endet seine Amtszeit offiziell am 31. Juli.

Was danach kommt? Schrader zuckt mit den Schultern und formuliert auf seine typische Weise: "Eine Anschlussverwendung ist noch nicht gegeben". Nur eines ist sicher: "Das Saarland und Saarbrücken verlasse ich nicht." Vor ein paar Monaten erst haben er und seine Frau ein Haus in Dudweiler gekauft. Das zweieinhalbjährige Töchterchen Lisbeth hat der fastnachtsverrückte Papa schon in die Freuden der saarländischen Narretei eingeführt. Und gerade ist Schrader dabei, im Dudweiler Haus die Verteilung seiner riesigen Reiseführer- und Architekturbücher-Sammlung zu planen. Schrader und seine Frau, beide gebürtige Berliner, fühlen sich hier zuhause. "Meine Nicht-Wahl war natürlich nicht schön", formuliert Schrader vorsichtig, aber die Saarbrücker hätten ihn "so offen aufgenommen". Da ist er zuversichtlich, dass er sich hier auch in Zukunft beruflich etablieren kann - vielleicht ja sogar in einer städtischen Gesellschaft oder in der Kulturverwaltung des Landes.

Es ist nicht wenig, was der studierte Politologe als Bilanz vorzuweisen hat: Seine acht Jahre als städtischer Kulturdezernent waren die wohl ruhigsten und doch fruchtbarsten seit Jahren. Der Kultur ging es gut, trotz chronisch leerer Kassen. Mit Schraders Amtszeit verknüpft bleiben wird neben dem Glanz der nunmehr wieder städtischen Stadtgalerie vor allem die Professionalisierung der freien Szene, die sich rund um das neue Theater im Viertel am Landwehrplatz entwickeln kann. Dass der bereits zum Verkauf freigegebene Anbau an der Alten Feuerwache letztlich bei der Stadt blieb und zum neuen Theater wurde, ist maßgeblich Schraders Hinter-den-Kulissen-Taktieren zu verdanken.

Für die große Schlagzeile hat Schrader in den acht Jahren nicht viel geliefert. Kulturpolitik über die Medien ist nicht sein Ding. "Die Gefahr bei offenem Streit ist immer, dass man Wünsche weckt, weil man mit erhöhten Forderungen startet". Kulturpolitik, findet er, sei keine "Ego-Show". Aber eine große Verantwortung. "Ich stehe wie eine Roland-Figur vor den mir anvertrauten Einrichtungen."

Worauf ist er besonders stolz? Auf das neue TiV natürlich und auf den "Reformationsprozess der Stadtgalerie". Auch die "stürmische Entwicklung" des Ophüls-Preises freut ihn und dessen Professionalisierung mit dem Filmfest im E-Werk: "Darüber spricht die Filmszene in der ganzen Republik".

Als Erfolg sieht Schrader auch die Aufwertung der Kunst im öffentlichen Raum. Ein "vitalisierender Prozess" sei da möglich geworden mit den Eurobahnhof-Objekten von Salzdorfer "als man sich den noch leisten konnte", mit dem Rabbiner-Rülf-Platz oder demnächst der Skulptur von Sigrun Olafsdottír auf der Berliner Promenade.

Viele, viele weitere Punkte stehen auf seiner Liste: Die Stadtbibliothek wurde in den letzten acht Jahren quasi komplett erneuert. Und das Lesecafé - bei Schraders Antritt kurz vorm Verkauf - ist gerettet. Die Kultur- und Lesetreffs in den Stadtteilen sind gesichert. Und das Kleine Theater , lange von Schließungs-Szenarien bedroht, ist aus der Diskussion. Ein persönliches Schrader-Steckenpferd ist ebenfalls unter Dach: Der Rathausturm ist heute regelmäßig für Publikum geöffnet. "Das ist eine extrem tolle Sache." Und natürlich sein vielleicht wichtigster Erfolg: "Die Etats werden meinem Nachfolger ungekürzt übergeben" - trotz immerwährender Haushaltskrise.

Schrader selbst hat in seinen Saarbrücker Jahren eigene kulturelle Vorlieben entwickelt: Die Programme der Gruppe "Die Redner" begeistern ihn, erzählt er. Auch habe er "viele tolle Performances und Konzerte im Rahmen der Sommermusik" gesehen. Schraders liebste Kultur ist nicht die große Oper. "Ich mag schon mehr das Kleinere, Sachen, wo man näher dran ist". Da wird man ihn sicher auch künftig sehen - wahrscheinlich wie so oft mit Töchterchen Lisbeth, die ihm zwischen den Füßen rumläuft, und vielleicht ja dann auch bald mit dem neuen Söhnchen im Kinderwagen.

Am morgigen Freitag, 31. Juli, um 19 Uhr, wird Erik Schrader im Saarbrücker Rathausfestsaal offiziell als Kulturdezernent der Landeshauptstadt verabschiedet.

Ein Sorgenkind, das Erik Schrader nicht mehr zu seiner Zufriedenheit sichern konnte, ist das Saarbrücker Filmhaus. "Das Programm dort ist genau das Richtige", die Kombination mit dem Arthouse-Kino Camera Zwo und dem Achteinhalb mit seinen Filmreihen sei ideal.

Aber bei der Finanzierung sei ihm "der große Wurf noch nicht gelungen". Schrader hätte die Organisation des kommunalen Kinos gern mit einem starken privaten Partner verknüpft, "um Synergien zu nutzen und das Filmhaus schlanker aufzustellen, ohne Programm zu verlieren", wie er sagt. Denn die Abläufe der kommunalen Buchhaltung seien so aufwendig - "da haben Sie bei einer verkauften Flasche Cola einen ganzen Stapel Tagesbelege". Die Zukunftssicherung des Filmhauses sei nun eine Herausforderung, "der sich der neue Kulturdezernent Thomas Brück stellen muss, gemeinsam mit Rathausspitze und Parteien".

 Die JFK-Show der Redner war ein kultureller Höhepunkt. Foto: Kalweit

Die JFK-Show der Redner war ein kultureller Höhepunkt. Foto: Kalweit

Foto: Kalweit
 Unvergesslich: Light Act an der Berliner Promenade. Foto: Hausig

Unvergesslich: Light Act an der Berliner Promenade. Foto: Hausig

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 Ein neues Theater trotz leerer Kassen: das TiV. Foto: Maurer

Ein neues Theater trotz leerer Kassen: das TiV. Foto: Maurer

Foto: Maurer
 Hingucker: die Ausstellungen in der Stadtgalerie. Foto: Maurer

Hingucker: die Ausstellungen in der Stadtgalerie. Foto: Maurer

Foto: Maurer
 Das Filmhaus muss zukunftssicher gemacht werden. Foto: Dietze

Das Filmhaus muss zukunftssicher gemacht werden. Foto: Dietze

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Auf einen BlickSchule und Zoo zählten auch zu Schraders Aufgabenbereich. In den letzten acht Jahren gab es hier größere Bauprojekte. Die Arnulfschule, das Montessorizentrum Rußhütte, die Schule am Homburg wurden erweitert, die Ostschule steht noch aus. Als Schrader anfing, gab es drei gebundene Ganztagsschulen. Jetzt sind es sechs. "Das war ein wichtiges Thema auch der OB und des Rates." Unterstützt vom Bund, wurde die Zahl der Krippenplätze von 387 auf 1192 Plätze erhöht. Heute sind fast zwei Drittel davon Ganztagsplätze. Auch für den Zoo gab es ein großes Investitionsprogramm. "Bei meinem ersten Besuch sah es dort aus wie im Osten", meint Schrader. Heute hat der Zoo eine neue Robben-Anlage, ein Gorilla-Freigehege, neue Pinguine, eine neue Erdmännchen-Anlage. "Jetzt kommen noch der Eingangsbereich und die zweite Aussichtsplattform." Durch all diese Maßnahmen verzeichnet der Zoo, so Schrader, spürbare Zuschauerzuwächse, vor allem auch aus Frankreich. bre

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