Mobbingopfer sollten Buch führenVoraussetzung für eine Klage ist ein Attest

Saarbrücken/Merzig · Mobbing geschieht oft verdeckt und lässt sich nur schwer nachweisen. Leidet die Gesundheit oder werden Rechte des Mobbing-Opfers verletzt, haben Betroffene jedoch gute Karten, sich gegen Mobber zur Wehr zu setzen. Innerhalb des Betriebes kann der Arbeitgeber oder Betriebsrat helfen, außerhalb ein Anwalt, Mediator oder die Arbeitskammer.

Saarbrücken/Merzig. Die 24-jährige Krankenschwester hatte Glück: In ihrem Fall war es nachweisbar, dass ein Kollege sie gemobbt hat. Über Monate trägt er sie immer für die Schichten ein, an denen sie nicht arbeiten möchte. Kündigt sie vorher an, dass ein Tag ungünstig ist, steht sie genau dann an diesem auf dem Plan. Als sie eine Fastnachtsveranstaltung besucht, stehen am nächsten Tag Fotos von ihr auf der Veranstaltung im Intranet der Firma. "So konnte die EDV-Abteilung rausfinden, von welchem Computer das Foto hochgeladen wurde", erklärt Regine Janes von der Rechtsberatung der Arbeitskammer des Saarlandes. In solchen Fällen können Opfer gegen Mobber vorgehen. Denn der Täter war entlarvt, und rechtlich gesehen hatte der Gemobbte etwas in der Hand: "Das Recht am eigenen Bild wurde verletzt." Der Saarbrücker Fachanwalt für Arbeitsrecht Jörg-Toralt Warner bestätigt: "Von Mobbing kann man nur ausgehen, wenn systematische und zielgerichtete Anfeindungen vorliegen. Diese erfolgen vor allem schriftlich oder mündlich." Wenn ein Opfer rechtliche Schritte gegen den Täter ergreift, könnte es die schikanierenden Schreiben im Gerichtsverfahren vorlegen. "Mündliches Mobbing können die Opfer durch Zeugen nachweisen, wenn es welche gibt", sagt Warner. Zudem empfiehlt es sich, ein Mobbingtagebuch zu führen. Janes erklärt, wie ein Mobbing-Tagebuch aussieht: "Darin muss man mit Uhrzeit, Datum und Namen der Zeugen genau festhalten, was der angebliche Mobber wann getan hat." Bevor der Schritt vor das Arbeitsgericht kommt, gibt es auch andere Möglichkeiten, sich zu wehren. Wichtig sei zuerst, dass sich die Betroffenen Hilfe suchen und sich beschweren. Das kann neben dem Betriebsrat oder dem Kollegenkreis auch der Arbeitgeber sein."Er ist verpflichtet, das Persönlichkeitsrecht seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen", sagt Warner. Naturgemäß haben die meisten Arbeitgeber ein Interesse daran, das Mobbing zu unterbinden, da es dem Betriebsklima und somit dem Unternehmen schadet. "Der Arbeitgeber kann dann je nach Fall mit dem Täter sprechen, ihn rügen, ermahnen oder eine Abmahnung erteilen. In Einzelfällen kann der Täter auch fristlos entlassen werden." Außerhalb des Betriebes können die Arbeitskammer, ein Mediator oder notfalls das Arbeitsgericht helfen. Die Arbeitskammer des Saarlandes hat im letzten Jahr mehr als 800 Fälle bearbeitet. "Rund 45 bis 80 Arbeitnehmer mit Mobbing-Problemen suchen uns im Monat auf", sagt Regine Janes. Die Zahlen seien seit Jahren stabil. Die Betroffenen, die Probleme mit Mobbing an ihrem Arbeitsplatz haben und bei der Rechtsberatung der Arbeitskammer Hilfe suchen, kommen aus allen Alters- und Berufsgruppen: vom Chefarzt bis zur Reinigungskraft.

Als Mediator arbeitet auch Jörg-Toralt Warner. "Ein Mediator kann als unparteiischer Dritter zwischen den Parteien vermitteln", sagt Warner. "Ob das Erfolg verspricht, hängt unter anderem von der Gesprächsbereitschaft der Betroffenen ab." Warner empfiehlt jedoch, sich frühzeitig einen Anwalt zu nehmen. Dieser kann Druck auf den Täter ausüben und unterstreicht, dass das Opfer nicht hilflos ist. Sonst bleibt nur noch das Arbeitsgericht. Dort können die Betroffenen Unterlassungsklagen einreichen, Schmerzensgeld- oder Schadensersatzforderungen gegen den Täter stellen. Mit Hilfe des Tagebuchs oder anderen Beweisen bestehen Chancen auf eine erfolgreiche Klage. "Meist läuft es darauf hinaus, dass nach dem Prozess entweder das Mobbing-Opfer oder der mobbende Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt", sagt Warner. < Ende der Serie

Saarbrücken/Merzig. Einige Fälle landen letztendlich vor Gericht. Anfang des Jahres wurde vor dem Landgericht Saarbrücken eine Klage wegen Mobbings abgewiesen. Der Verteidiger des Angeklagten war Jörg Wagner, Rechtsanwalt aus St. Ingbert: "In diesem Fall kann von Mobbing keine Rede sein", erklärt er. Es seien subjektive Empfindungen hochstilisiert worden. Wagner erklärt, in welchen Fällen man vor Gericht ziehen kann: "Das geht nur, wenn durch das Mobbing gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen." Oder eine Gefährdung der Gesundheit. "Das betrifft Menschen, die morgens schon zittern, wenn sie an die Arbeit denken." Daher sei ein Attest eine Voraussetzung für eine Klage, allerdings keine Garantie. In dem besagten Fall habe ein Attest vom Arzt vorgelegen: "Die Frau war jedoch gesundheitlich vorbelastet." Die Betroffene sei regelmäßig krank. Aber selbst wenn Mobbing offensichtlich sei, müsse es zu keiner Verurteilung kommen, erklärt Wagner. "Wenn Chef und Angestellter überhaupt nicht mehr miteinander auskommen, kann eine Versetzung mit Abfindungsvergleich eine Lösung sein." Dann sei die Sache nur noch eine Frage des Preises. nkl

Meinung

Opfer müssen sich wehren

Von SZ-RedaktionsmitgliedDennis Klammer

Umsicht bei Mobbing! In vielerlei Hinsicht. Der Begriff ist allgegenwärtig, eine Modeerscheinung. Doch nicht jeder ungelöste Konflikt ist mit Mobbing gleichzusetzen.

Wer das macht, tut den tatsächlichen Opfern Unrecht, die über Monate hinweg systematisch von Chefs, Mitschülern oder Kollegen schikaniert werden.

Die Reaktionen zu unserer Serie zeigen: Die Opfer sind nicht allein. Traurigerweise gibt es sogar viele. Doch genau das können sie zu ihrem Vorteil nutzen. Sich in Selbsthilfegruppen austauschen und Ratschläge holen. Auch Kollegen, vertraute Personen oder Anwälte können die Opfer unterstützen. Wichtig ist: Die Betroffenen müssen sich wehren. Aus ihrer Opferrolle heraustreten und die Täter mit ihren eigenen Waffen schlagen: Wer im Internet gemobbt wird, hat direkt den schriftlichen Beweis für eine Klage. Das gilt auch für Abmahnungen oder Mobbing-Tagebücher. Es kann ein schwieriger Schritt sein, aber der Mut lohnt sich: Die Opfer gewinnen an Selbstsicherheit. Ein erster Schritt, um sich gegen Täter zu behaupten.

Bisher suchen sich die wenigsten selbst Hilfe. Aus Angst, nicht ernst genommen zu werden, ziehen sich die Mobbing-Opfer zurück. Daher sind auch die Menschen im Umfeld der Opfer in der Pflicht: Sie müssen ihre Wahrnehmung schärfen. Genau hinsehen und gut zuhören. So können sie den Betroffenen helfen, sich zur Wehr zu setzen.

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