"Mit Kunst hat das nichts mehr zu tun"

Saarbrücken. Morgen soll der Saarbrücker Stadtrat über die Wiedereinführung des Stadtteilautors beschließen. Stadtteilautoren gab es in der Landeshauptstadt von 1981 bis 1993. Der Kulturausschuss, der sich bereits seit April mit diesem Thema befasst, hat die Aufgabe des künftigen Stadtteilautors allerdings neu definiert

Saarbrücken. Morgen soll der Saarbrücker Stadtrat über die Wiedereinführung des Stadtteilautors beschließen. Stadtteilautoren gab es in der Landeshauptstadt von 1981 bis 1993. Der Kulturausschuss, der sich bereits seit April mit diesem Thema befasst, hat die Aufgabe des künftigen Stadtteilautors allerdings neu definiert. Eine Einzelperson oder ein Team soll die kulturelle Vielfalt eines Saarbrücker Stadtteils im Laufe eines Jahres in Wort, Bild, Fotografie oder Film dokumentieren. Das Honorar soll sich von ehemals 4800 Mark auf 5000 Euro erhöhen.

"Stadtteilautor?" Für Klaus Behringer (Foto: SZ/Behringer), den Vorsitzenden des Verbands deutscher Schriftsteller Saar (VS Saar), ist das neue Konzept Etikettenschwindel. "Ursprünglich war Stadtteilautor ja die Förderung eines Literaten, der Belletristik geschrieben oder zumindest im Grenzbereich von Journalismus und Literatur gearbeitet hat - und das bezogen auf einen Stadtteil", stellt Behringer im Gespräch mit unserer Zeitung klar. In den 1980er-Jahren betrauten die Verantwortlichen in der Landeshauptstadt Schriftsteller wie Klaus Bernarding, Hans Bernhard Schiff oder Ellen Diesel mit diesem Amt. "Was früher Literaturförderung war, wird jetzt eine Art Dokumentations- und Archiv-Förderung, das ist was ganz anderes", sagt der VS-Saar-Vorsitzende. So etwas könne man als Stadt natürlich auch machen, aber mit Kunst habe das nichts mehr zu tun, und kein Literat profitiere davon. Und dabei kümmere die Stadt sich eh schon kaum um ihre Schriftsteller, kritisiert Behringer: "Unter den 30 seit 1998 vergebenen Förderstipendien gingen nur fünf an Literaten". Talente aber gebe es genug. "Man muss nur hinschauen." Hätte die Stadt also das alte Konzept beibehalten sollen? "Wir Autoren waren nie so ganz glücklich damit, wenn auch vielleicht aus anderen Gründen als die Stadt", meint Behringer. Denn der Stadtteilautor sei ja nur eine "Schwundstufe" des Stadtschreibers, wie es ihn bis heute noch immer in zahlreichen Städten gebe.

Eigene Themen

Und von Stadtschreibern werde meist nicht verlangt, dass sie etwas über die Stadt schreiben. "Autoren verfolgten ihre eigenen Themen", weiß Behringer, "deshalb sollte eine Stadt ihn nicht thematisch einengen, sondern es als Ehre ansehen, einen namhaften Künstler zu beherbergen, der am Diskurs teilnimmt und neue Gedanken und Ideen einbringt."

Solche Stadtschreiber leistete sich auch Saarbrücken Ende der 1980er-Jahre für je einen Monat: den Deutsch-Georgier Giwi Margwelaschwili, Louis Oury aus Nantes und Dorothea Kleine aus Cottbus.

Warum also nicht im Wechsel einen interessanten Schriftsteller von auswärts und einen einheimischen zum Stadtschreiber berufen? "Sie in Ruhe schreiben zu lassen, was sie wollen, und nicht zu viel Politur des Stadtwappens erwarten", rät der VS-Vorsitzende. "Wenn man echte Kulturförderung betreiben will, bindet man sie nicht an Bedingungen an, die dem Stadtmarketing nützen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort