Johanneskirche kontra Bahnhofstraße

Saarbrücken · Das Land will Video-Überwachung an der Johanneskirche, aber nicht in der Bahnhofstraße. Obwohl dort viel mehr Gewaltverbrechen geschehen als an der Kirche. Die SZ fragte Passanten in der Bahnhofstraße, ob sie das verstehen.

 Was im Umfeld der Johanneskirche geschieht, soll bald von Video-Kameras aufgezeichnet werden. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Was im Umfeld der Johanneskirche geschieht, soll bald von Video-Kameras aufgezeichnet werden. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

"Wenn ich wüsste, dass ich dann beim Einkaufen sicherer bin, dann lieber die Kameras hierher in die Bahnhofstraße, als an die Johanneskirche", sagt Ronja Marschall, 24: "Mir würde das nichts ausmachen, wenn mich jemand filmt. Die Leute sehen mich ja eh', wenn ich hier unterwegs bin."

Laura Pagnotta, 21, aus Überherrn erklärt: "Ich fände Kameras hier ganz okay. Aber größtenteils wäre mir das eigentlich egal." Pagnotta arbeitet neben dem Studium als Promoterin. Sie macht in der Bahnhofstraße Werbung und Umfragen - oder kommt einfach zum Shoppen. Obwohl sie also viel Zeit dort verbringt, würde sie sich in der Bahnhofstraße nicht sicherer fühlen, wenn die Straße überwacht würde.

Edgar Lutz, 24, hält Kameras in der Bahnhofstraße für sinnvoll. Er ist Kommissar-Anwärter und arbeitet in Homburg. In die Bahnhofstraße kommt er nur zum Einkaufen. Trotzdem sieht er die Sache vor allem professionell: "Es ist schon praktisch, wenn man als objektiven Beweis eine Video-Aufnahme hat. Das würde auf jeden Fall was bringen. Aber wenn an der Johanneskirche was passiert, wär‘ es gut, wenn dort auch Kameras hängen." Lutz räumt ein, dass Kameras die Privatsphäre einschränken: "Das ist schon irgendwo ein Eingriff in ein Grundrecht."

Raymond Odermatt, 69, glaubt nicht, dass sich der Aufwand für Video-Kameras lohnt. Denn Kriminelle ließen sich von Kameras nicht abschrecken, und die Polizei habe nicht genug Leute, um die Aufnahmen auszuwerten. Kameras würden höchstens dazu führen, dass die Verbrechen an anderen Orten geschehen - egal ob die Kameras nun an der Johanneskirche oder in der Bahnhofstraße hängen. Odermatt: "Strafen sollen auch abschrecken - und trotzdem werden Straftaten begangen." Seine Privatsphäre sieht Odermatt nicht bedroht - trotzdem erinnern ihn die Video-Pläne an Überwachungsstaaten und er empfiehlt: "Wehret den Anfängen."

Der syrische Flüchtling Maher Bakhshish, 28, wohnt seit einem halben Jahr in Saarbrücken . Er glaubt, Video-Kameras lohnen sich eher in der Bahnhofstraße als an der Johanneskirche. Bakhshish sagt, er empfinde Video-Überwachung als ganz normal: "Ich habe 27 Jahre lang in Syrien gelebt, dort hatte ich gar keine Privatsphäre . Die Regierung kann dort alles kontrollieren."

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