„Ich will zum Denken verführen“

Saarbrücken · Als „Untergangs-Show“ will Regisseurin Alexandra Holtsch Bertolt Brechts „Fatzer“ auf die Bühne der Sparte 4 bringen. Premiere ist am Samstag.

 Ein roter Vorhang teilt den Raum. Sonja Bender, Alexandra Holtsch und Gregor Wickert (v.l.) im Bühnenbild von „Fatzer“. Foto: Krämer

Ein roter Vorhang teilt den Raum. Sonja Bender, Alexandra Holtsch und Gregor Wickert (v.l.) im Bühnenbild von „Fatzer“. Foto: Krämer

Foto: Krämer

Wie bringt man ein Fragment wie Bertolt Brechts "Untergang des Egoisten Johann Fatzer" auf die Theaterbühne? Jedenfalls nicht, indem man eine Geschichte erzählt - Regisseurin Alexandra Holtsch will mit "Fatzer" in der Sparte 4 des Staatstheaters vielmehr eine "unterhaltsame Gedankenfabrik" inszenieren und "zum Denken verführen". Die Texte - extrahiert aus 500 Seiten Material - seien nicht leicht, "aber es gibt einen sinnlichen Zugang", verspricht Holtsch. Der besteht in einer "Lust am Dilemma", der in Form einer "Untergangs-Show" zelebriert wird. Dieser Rahmen soll dem Zuschauer den Einstieg erleichtern - wie ein Schuhanzieher, der einen bequem in einen engen Slipper schlüpfen lässt.

Worum geht's? Vier Deserteure verstecken sich in einem Keller bei der Frau des einen in der Industriestadt Mülheim an der Ruhr und sehnen die Weltrevolution herbei, die den Ersten Weltkrieg beenden soll. Die Revolution kommt nicht, stattdessen ergeben sich Spannungen, die das Funktionieren des kleinen Kollektivs - quasi ein Spiegel der Gesellschaft - gefährden. Denn unter den Deserteuren ist auch der zwiespältige Charakter Fatzer, ein Anarchist, der sich keiner Gruppe unterordnen will.

Es folgt ein philosophisches Ping-pong-Spiel: Was ist gut, was ist böse? Wer sind die Herrschenden, wer die Beherrschten? Immer wenn man denkt, eine Antwort, eine Meinung, der man sich wohlfeil anschließen kann, gefunden zu haben, wird sie sofort widerlegt. Das mache Brechts Fragment zu einem "Stück des Scheiterns an Widersprüchen", erläutert Holtsch. Gregor Wickerts Bühnenbild (auch Kostüme) lädt das Publikum dazu ein, diese verschiedenen Perspektiven einzunehmen: Ein roter Vorhang trennt den Raum und spaltet die Zuschauer in zwei Blöcke. Es wird sogar so sein, dass nicht auf jeder Seite immer das Gleiche zu sehen ist. Wer alles mitkriegen will, müsste sich das Stück also eigentlich zwei Mal angucken.

Nun passt so ein roter Vorhang weder zur Sparte 4 noch in einen Kriegskeller, aber er passt dazu, dass Brecht mit seinem Forschungsprojekt über den Egoismus Theaterformen geübt habe, sagt Holtsch. Stichwort: Dokument und Kommentar. Eine weitere Kommentarebene, die neue Zusammenhänge erschließen soll, liefern auch die Videos von Sonja Bender. Grafisch und viel reduzierter als etwa ihre Arbeiten für die Sparte-4-Produktion "Hunger", bei der ebenfalls Holtsch Regie führte, kommen die daher: Piktogramme in schwarz-weiß, die über die Seitenwände des Raums, Monitore und eine weiße Fläche über der Spielebene huschen.

Auch wenn das Kollektiv im Stück scheitert - das Team Holtsch-Bender-Wickert funktioniert, und zwar schon seit 2002. Holtsch und Bender kennen sich gar noch länger, von der ehemaligen gemeinsamen Berliner Gruppe "Fast Forward". Holtsch, die nun auch für eine Art "elektronische industrielle Unterhaltungsmusik" des Abends verantwortlich zeichnet, schätzt die gemeinsame "ästhetische Grundausrichtung" des Trios, aber auch einen gewissen Widerspruchsgeist: "Wir sind ein gutes Kollektiv, das Auseinandersetzungen aushält."

Premiere: Samstag, 30. Mai, 20 Uhr, Sparte 4 in der Eisenbahnstraße (Garelly Haus). Karten, Termine, Infos: Tel. (06 81) 30 92-486, www.theater-saarbruecken.de

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