„Ein Musiker muss bibbern“

Saarbrücken · Er ist Pianist und Komponist, experimentiert mit Elektronik und rarem Instrumentarium. Seit 2005 veröffentlichte Nils Frahm einige Soloalben und Gemeinschaftsprojekte mit ganz unterschiedlichen Künstlern wie dem isländischen Komponisten Ólafur Arnalds und dem kanadischen Indiemusiker Peter Broderick. Derzeit tourt Frahm durch Deutschland und kommt am 13. August nach Saarbrücken. SZ-Mitarbeiter Kai Florian Becker sprach mit dem auskunftsfreudigen Musiker.

 Nils Frahm bei der Arbeit. Foto: Alexander Schneider

Nils Frahm bei der Arbeit. Foto: Alexander Schneider

Foto: Alexander Schneider

Sie sind kein reiner Pianist und nehmen bei Konzerten auch andere Instrumente mit auf die Bühne. Welche genau?

Nils Frahm: Da wäre zu allererst der Drumcomputer zu nennen. Dann noch eine selbst gebaute Orgel, eine Pfeifenorgel, um genauer zu sein. Es gehören auch jede Menge kleinere Effektgeräte und Sequenzer dazu. Alles, was man so braucht, wenn man auch elektronische Musik mag und macht und sich sehr viel mit Aufnahmetechniken beschäftigt. Im Prinzip steht auf meiner Bühne ein kleines, experimentelles Synthesizer-Studio mit Mischpult und allem Drum und Dran. Momentan mache ich nämlich diese ziemlich verrückte Show, verfolge jede Menge absonderliche Ideen und Konzepte und entwickle diese weiter.

Was ist so absonderlich und verrückt daran?

Nils Frahm: Es ist halt nichts im Sinne von 08/15. Das fängt beim Aufbau der Geräte an und reicht bis hin zur Dynamik des Sets: von sehr leise bis sehr laut. Manche Instrumente sind zum Teil selbst gebaut und es gibt sie nur ein Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch viele andere Musiker oder Gruppen mit solch einer Show in 2015 klarkommen.

Wie organisieren Sie das?

Nils Frahm: Ich arbeite seit eh und je mit Freunden zusammen. Sie entwickeln meine Instrumente mit, begleiten mich und sorgen für Verbesserungen und Modifikationen an meinen Geräten. Sie sind meine Inspirationsgeber, und wir ziehen das gemeinsam durch. Ich habe nicht wie andere Musiker irgendwelche wildfremden Dienstleister angeheuert. Meine Show ist so kompliziert und einzigartig, dass man im Vorfeld lange zusammensitzen muss, um sie zu planen. Wie gesagt: Viele Instrumente sind Unikate. Wenn es ein Instrument doch mehrfach gibt, dann ist es mindestens 40 Jahre alt.

Wenn etwas defekt ist, kann es aber nicht mal schnell ausgetauscht oder repariert werden?

Nils Frahm: Das gehört eben dazu. Es gibt einige Dinge, die mir sehr wichtig sind: etwa, dass man als Künstler ein gewisses Risiko eingeht. Ich sehe in meiner Generation bei Konzerten viele aufgeklappte Laptops mit USB-Stick und Backup-Festplatte. Da kann ja absolut nichts mehr schiefgehen. Der Künstler von heute muss nicht mehr bibbern und zittern, hat alles im Griff und kann am Ende völlig souverän die Hütte abreißen. Das interessiert mich nicht. Ich finde das langweilig.

Wie muss ein Konzert für Sie aussehen?

Nils Frahm: Ich möchte, dass der Musiker oben schwitzt. Der Auftritt muss aufregend sein und schiefgehen können. Es muss ein Risiko geben. Was ist sonst der Einsatz? Wo bleibt sonst die Spannung? Wir haben uns daher ein Set ausgesucht, das wirklich verrückt ist. Es geht immer irgendetwas kaputt. Dann liegt es an mir, die Show doch noch zu retten. Das sind die Momente, in denen du als Künstler gefragt bist. Genau dann muss man seine Kreativität unter Beweis stellen.

Nils Frahm spielt am Donnerstag, 13. August, 19 Uhr, in der Saarbrücker Garage in der Bleichstraße.

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Zur PersonNils Frahm wurde im September 1982 in Hamburg geboren. Sein Vater ist der Fotograf Klaus Frahm, der einige Plattencover für das Münchner Jazz-Label ECM Records designt hat. Vater wie Mutter waren autodidaktische Musiker . Irgendwann entwickelte ihr Sohn ein Interesse für das häusliche Piano und nahm mit acht Jahren erstmals Unterricht. Einer seiner Lehrer war der russische Pianist Nahum Brodski. Seit 2008 - damals hatte Frahm bereits zwei Soloalben ("Streichelfisch", "Electric Piano") und eine EP namens "My 1st EP" veröffentlicht - steht er regelmäßig auf der Bühne. Just gestern war er Gast bei den legendären BBC Proms in der Londoner Royal Albert Hall. kfb

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