Eindrücke von der Gewerkschaftsbasis Gewerkschafter Janson lässt Dampf ab

Friedrichsthal · Ein Ehrenamtlicher beklagt das Anspruchsdenken an der Basis. Dort, wo große Ansprüche auf eine immer kleinere Bereitschaft treffen, sich zu engagieren. Für Rüdiger Janson ist klar: Das geht nicht mehr lange gut.

 Die Geschichte des Rechtsschutzsaals nennt Rüdiger Janson als Beispiel für Zusammenhalt und Einsatzbereitschaft.

Die Geschichte des Rechtsschutzsaals nennt Rüdiger Janson als Beispiel für Zusammenhalt und Einsatzbereitschaft.

Foto: BeckerBredel

Rüdiger Janson reicht’s. Jeder Zeile, jedem Satz des Gewerkschafters ist anzumerken: Da hat jemand seinem Verdruss Luft gemacht. Über Anspruchsdenken, das sich eingenistet hat, wo einst einer für den andern einstand. Über die Frage nach Geschenken statt des Angebots, sich an der Basisarbeit zu beteiligen.

Es geht um die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE). Janson erinnert sich an die Frage in einer großen Facebook-Bergbaugruppe, welche Geschenke es denn für 40 Jahre Mitgliedschaft gebe.

 Offenbar nicht genug. Janson: „Nachdem ich die vielen negativen Kommentare gelesen hatte, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sehr viele Bergleute nur noch in der Gewerkschaft sind, weil es womöglich Jubilar-, Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke gibt. Und wenn die irgendwo ausbleiben, treten einige aus.“

Janson antwortete den Kritikern Folgendes: „Ihr bekommt nur darum etwas, weil Leute im Vorstand eurer Ortsgruppe das organisieren, worauf ihr einen Anspruch erhebt, aber selbst nichts dafür tun wollt.“  

Einen weiteren Beleg dafür, wie berechtigt diese Kritik  sei, liefert Janson gleich nach. Er erzählt von einer Jubilarfeier und der Anmerkung eines Kollegen, dass ihm das Essen nicht schmeckte und der Abend nicht gut gestaltet war.

Auf die Frage, warum der Kritiker sich denn nicht selbst in seinem Ortsgruppenvorstand nützlich mache, habe der nur mit einem „fragenden, vorwurfsvollen Blick geantwortet“. Für Janson steht fest: „Er wusste nicht, dass das Fest von einigen seiner ehemaligen Kollegen organisiert wird. Das ist so, weil er sich nie für die Arbeit der Ortsgruppe interessierte.“

Ein Übel mit Folgen, wie Janson findet. Denn die IG BCE-Ortsgruppen brauchen seiner Meinung nach dringend Verstärkung für die Vorstände. Dort, wo Überalterung und Gesundheitsprobleme die Arbeit immer schwerer machen. Dort, wo die Möglichkeiten von zu wenigen auf das Anspruchsdenken von zu vielen prallen.

 Die Frage, wie das auf Dauer gutgehen soll, stelle sich auch in den noch gut funktionierenden Ortsgruppen „wie unserer“. Längst reagiert die Gewerkschaft mit dem Zusammenlegen von Ortsgruppen. Als Folge wächst die Fläche, aber keineswegs die Zahl derer, die dort die Kärrnerarbeit leisten. Statt der Frage: „Wo kann ich helfen?“ sei in den sozialen Netzwerken wie Facebook der Satz allgegenwärtig: „Was gibt es denn für Geschenke?“.

Janson stellt dem die Frage entgegen, was es denn geben kann, wenn kaum noch jemand in einem Ortsgruppenvorstand etwas machen will. „Das alles stimmt mich traurig; sehr traurig.“

Rüdiger Janson ist 51 Jahre dabei und erinnert sich noch an die Ehrung von 2011 für 40-jährige Mitgliedschaft. Damals kam der Vorsitzende der Ortsgruppe Friedrichsthal/Bildstock, Günter Hofmann, auf ihn zu und berichtete im ältesten Gewerkschaftshaus Deutschlands, dem Bildstocker Rechtsschutzsaal, wie schwer es werden könnte, Ansprüche und Möglichkeiten an der Basis in Einklang zu bringen.

Klar lasse sich der Rechtsschutzsaal als Denkmal erhalten, in dem die „Seele unserer Gewerkschaft steckt“. „Was aber ist, wenn die Ortsgruppen alle nacheinander abbröckeln?“, fragte Hofmann.

Und er schob eine Warnung nach: „Dann stirbt die Seele, und zurück bleibt nur ein Denkmal, dessen Geschichte kaum noch jemand kennt.“ Janson beeindruckte diese Warnung. Er wurde am 14. Juni 2012 mit 56 Jahren Mitglied im neuen Vorstand der Ortsgruppe, einer neuen „Garde der Alten“. Nur ein Mitglied war um die 30. Gebessert hat sich nichts.

 „Denn nicht nur die alte Garde wird immer älter, gebrechlicher und stirbt gar weg. Zahlt man seinen Beitrag nur noch so lange, bis man die nächste Jubilaruhr hat?“ Janson erinnert daran, wie anders die Gründerjahre waren. „Eine Mark und zwei Backsteine sollte jeder Bergarbeiter stiften, um in Bildstock das älteste deutsche Gewerkschaftsgebäude zu errichten. 20 000 Menschen traten damals dem Rechtsschutz-Verein bei. Der Grundstein wurde 1891 gelegt. Und heute fragen Leute, die nie in ihrer Ortsgruppe tätig waren, was es denn für Weihnachts-, Geburtstags- oder Jubilargeschenke gibt. Ich bin darüber traurig, sehr traurig.“

 

 Gewerkschafter Rüdiger Janson wünscht sich mehr Bereitschaft, im Vorstand der Ortsgruppe mitzumachen.

Gewerkschafter Rüdiger Janson wünscht sich mehr Bereitschaft, im Vorstand der Ortsgruppe mitzumachen.

Foto: Günter Hoffmann

 

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