Bericht aus einem wilden, harten Leben

Riegelsberg · Eindrucksvoll die Stimme, bewegend die harte Lebensgeschichte: Camille Lawinger alias Madame Lilith eröffnete das Riegelsberger VHS-Semester mit Chansons, kombiniert mit einer Lesung über ihre lange Vergangenheit als Hure und Domina.

Einen stärkeren Wechsel der Emotionen als bei der VHS-Semestereröffnung in Riegelsberg hat wohl so mancher der gut 60 Gäste selten erlebt. Und es lag nicht an der Übergabe der VHS-Leitung: Zum letzten Mal begrüßte Petra Mang das Publikum in der Rathausgalerie als Leiterin. "Viele Gesichter sind mir inzwischen sehr vertraut", sagte sie. Gerne nahm sie neben ihrer Nachfolgerin Platz, Birgit Spengler, die Bürgermeister Klaus Häusle in einer kleinen Feierstunde begrüßt hatte (Bericht folgt).

Auf der Bühne erschien nun eine außergewöhnliche Künstlerin. "Ich wollte etwas Interessantes bieten zum Abschied von Petra Mang, und ich hoffe, es ist mir gelungen", sagte Kulturamtsleiterin Annerose Nill (seit einigen Jahren ist die Semestereröffnung auf Anregung von Petra Mang eine Gemeinschaftsveranstaltung von VHS und Gemeinde). Und Annerose Nill hatte nicht zu viel versprochen: Mit Camille Lawinger alias Madame Lilith gastierte eine ganz besondere Persönlichkeit in die Rathausgalerie. Eine durch und durch kämpferische Frau, eine Verführerin, eine Femme Fatale, aber auch eine absolut liebenswerte, fröhliche beste Freundin - all das erwartete die Zuschauer an diesem Abend.

Neben Passagen aus ihrer Autobiografie "Zuckerbrot. Nur mein Körper war käuflich", wirkten die Chansons, die Camilles Gesangstalent bewiesen, mehr als einmal wie ein Befreiungsschlag. Denn, die Erlebnisse als Prostituierte in jungen Jahren in Frankreich kommen recht unverblümt und ehrlich über ihre Lippen, machen befangen und schockieren.

Selbst ein Gefängnisaufenthalt ist ihr nicht erspart geblieben. Spätestens hier erfährt der Leser auch, warum Lawinger letztendlich die 45 Jahre als Hure und Domina überleben konnte. "Davon geht die Welt nicht unter", singt sie sich in die Herzen ihres Publikums. "Durchhaltelieder, wie dieses von Bruno Balz, helfen immer, wenn man kurz vor dem Abgrund steht", sagt sie, und die Zuhörer stimmen beim Refrain befreit ein, nachdem sich einen fast unangenehme Stille breit gemacht hat.

Es ist nicht schön, was Lawinger, als Hermaphrodit 1951 in Mulhouse geboren, aus ihrem Leben erzählt, aber es ist ehrlich und gibt dem Zuhörer und Leser eine Lebensweisheit mit auf dem Weg: "Man muss sich immer wieder positiv programmieren" - Hut ab bei all dem, was Camille Lawinger erlebt hat. Hut ab aber auch vor ihrer Bühnenpräsenz und ihrer tollen Stimme.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort