Eine Insel mit Zelle und Rizinus

Großrosseln · Großrosseln verfügt über ein Alleinstellungsmerkmal, das seinesgleichen sucht. Ein Verkehrskreis in Grenznähe zu Frankreich ragt wie eine Insel aus dem Asphalt hervor – gekrönt von einer gelben Telefonzelle.

 Telefonieren kann hier echt ungemütlich werden. Die gelbe Zelle hat keine Scheiben mehr. Entlegen steht sie außerdem.Foto: becker & bredel

Telefonieren kann hier echt ungemütlich werden. Die gelbe Zelle hat keine Scheiben mehr. Entlegen steht sie außerdem.Foto: becker & bredel

Foto: becker & bredel

. Verkehrskreiseln wird selten Beachtung geschenkt. Das liegt daran, dass hier kein Publikum verkehrt. Allenfalls nimmt man aus dem fahrenden Auto mit flüchtigem Blick die Gestaltung wahr. Etwas Besonderes ist dagegen der Kreisel in der Großrosselner Bahnhofstraße, der ausdrücklich zum Betreten einlädt.

Auf dieser sehr gepflegten Insel im Grenzverkehr zwischen Deutschland und Frankreich ist die funktionsfähige öffentliche Telefonzelle der Blickfang. Sie ist noch original aus der Zeit, als die Beamten-Post die Zellen aufstellte, Tribut an die Moderne ist bei genauem Hinsehen der Telekom-Hörer in deren Magenta-Rosa. Weder im Rathaus noch bei der Pressestelle der Telekom in Bonn weiß noch jemand, seit wann dieses immer noch sehr gut erhaltene Häuschen in Rosseln Dienst tut. Scheiben sind allerdings keine mehr drin; vermutlich gibt es zu vertretbaren Kosten kein Ersatzglas. Da der Wind ungehemmt durchzieht, telefoniert man vielleicht kürzer.

Links neben der Zelle steht ein knapp meterhoher Metallstumpf. Das ist die Halterung für den Mülleimer. Der rentiert sich an dieser Stelle nicht, denn es kommen zu wenig Leute, die hier etwas zu entsorgen haben. Also erstmal fort damit!

Ein Zebrastreifen zur Insel wurde nicht angelegt; der Fußgänger muss sich schon so durchschlagen. Oder mit dem Auto dicht ranfahren und halten. Das sollte stellenweise erlaubt sein, denn verkehrsrechtlich (man beachte das Vorfahrt-gewähren-Schild links) ist die Örtlichkeit wohl weder Insel noch Kreisel, sondern eine Art kreisrunde Mini-Straße mit Bordstein, allerdings ohne Anschriften.

Sei es drum, bemerkenswert und ausgesucht hübsch ist die Bepflanzung: Der Baum ist ein Gemeiner Hasel (Corylus avellana). Wie man dem Lexikon entnehmen kann, gilt die Haselnuss als Sinnbild der Fruchtbarkeit und der Baum als beliebter Ort der außerehelichen Liebe. Ob man ihn deshalb bewusst hierher gesetzt hat? Und die Zelle auch? Den Strauch neben dem Baum sieht man auf französischen Verkehrsinseln und in den Blumenkübeln der lothringischen Dörfer öfter, im Saarland ist er eine Randerscheinung: der Rizinusstrauch (Ricinus communis), der auch als Wunderbaum bezeichnet wird und ein Wolfsmilchgewächs ist. Aus der Pflanze können Öl und Heilmittel gewonnen werden, doch sollte keiner Teile von ihr zu sich nehmen. In den Samen steckt die Eiweißsubstanz Ricin, die für Mensch und Tier sehr giftig ist. Also beim Besuch nur Gucken! Dabei weiß man übrigens nicht sicher, was hier schief steht (vermutlich alles ein klein wenig) und was im Lot ist (Schildermasten).

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