Kolumne Bitte einen Datenschredder

Vor langen Jahren, das digitale Zeitalter war noch nicht in Sicht, veröffentlichte eine überregionale Zeitung regelmäßig-unregelmäßig eine Rubrik, die viele begeisterte Leser hatte. „Aus dem Papierkorb der Redaktion“ lautete die Überschrift.

Kolumne: Bitte einen   Datenschredder
Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Texte waren stets  der Lacher des Tages. Satire pur, die richtig giftig aufspießte, was die Redakteure aus guten Gründen der großen runden Ablage überlassen hatten – im besten Falle aufgeplustert daherkommende Nebensächlichkeiten, im schlimmeren Falle Quasi-Mythen, Verschwörungstheoretisches, Falschmeldungen. Die Autoren scheuten keine Mühe, derlei Unfug genüsslich als solchen bloßzulegen.

Vorbei. Das digitale Zeitalter beschert uns so viel Überflüssiges, so viel Selbstdarstellerei, so viele „Fake news“, dass man sich Einzelnes kaum noch in Ruhe vorknöpfen kann. Da ist es ganz gut, dass die EU uns 2018 die neue Datenschutzgrundverordnung beschert hat. Denn damit haben Aktenvernichter Einzug gehalten in den Büros. Aus den großen runden Ablagen gibt es nun keine Wiederkehrer mehr: Munter zerlegt der Schredder Papiere in so winzige Schnipsel, dass man sie nie wieder zusammenkriegt.

Vergnüglich, ihm bei der Arbeit zuzuschauen. Und still und leise erwacht der Wunsch, auf ähnlich sinnliche Weise im E-Mail-Postfach aufzuräumen oder in den Social-Media-Konten, die man so hat. Wichtigtuerei, Wahlkampfgetöse, Wirklichkeitsverzerrungen: einfach ab damit in den Datenschredder und im Sichtfenster zugucken, wie aus kompakten Datenpaketen ein wilder Wirbel aus Nullen und Einsen entsteht.

Sowas muss dringend wer erfinden. Möglichst noch vor der Wahl.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort