Tierschutz Bewährungshelfer für Hunde gesucht

Saarbrücken · Ob ausgesetzt oder abgegeben: Vielen Hunden droht im Tierheim Lebenslänglich. Die Aktion „Cold Case“, angelehnt an eine US-Krimiserie, soll das verhindern. Viermal gab’s schon eine Haftentlassung.

 Devil, hier mit Heimleiterin Elke Leismann, braucht nach drei Jahren im Tierheim unbedingt ein neues Zuhause. Wer kann ihm helfen?

Devil, hier mit Heimleiterin Elke Leismann, braucht nach drei Jahren im Tierheim unbedingt ein neues Zuhause. Wer kann ihm helfen?

Foto: Foto: Andrea Lessel

(red/ole) Sie sitzen seit Jahren hinter Gittern, ja ihnen droht sogar lebenslange Haft. Um freizukommen, muss sie jemand rausholen, ihnen die Aussicht auf Bewährung geben. Das hört sich nach einem Krimi an. Und das soll auch so klingen.

Das Saarbrücker Bertha-Bruch-Tierheim hat – in Anlehnung an den Titel einer US-Krimiserie – die Aktion „Cold Case, Bewährungshelfer gesucht“ gestartet. Tina Waschetzko, der kreative Kopf hinter dem Projekt, stellte für die SZ das Wichtigste über „Cold Case“ zusammen.

Die Aktion soll die Aufmerksamkeit auf Langzeitinsassen des größten Tierheims im Saarland zu richten. Dort sitzen viele Hunde über Jahre, manche sogar ihr gesamtes Leben hinter Gittern. Einige haben gebissen, andere sind chronisch krank. Nicht zu vergessen jene mit einer „falschen“ Rasse, die deswegen lebenslang als schwerer Fall abgestempelt sind.

Im Saarbrücker Heim sitzen derzeit 36 Hunde. 20 von Ihnen leben schon länger als ein Jahr dort, etwa zehn sitzen sogar länger als fünf Jahre ein. Mit der Aktion „Cold Case“ greifen die Betreuer bewusst zum Justiz-Vokabular, um die Aufmerksamkeit auf ihre Schützlinge zu lenken. Straftaten wie Körperverletzung oder Vandalismus kommen glasklar zur Sprache.

 Schäferhündin Ginger, präsentiert von Sabrina Knaul, lässt sich nicht unterkriegen.

Schäferhündin Ginger, präsentiert von Sabrina Knaul, lässt sich nicht unterkriegen.

Foto: Andrea Lessel

Denn jeder soll wissen, worauf er sich einlässt, wenn er ein Geschöpf mit problematischer Vorgeschichte zum Hausgenossen macht. Die Inhaftierten suchen eine endgültige Bleibe bei ihrem Bewährungshelfer. Klappt das vorerst nicht, freuen sich die Insassen über Gassigänger und Bezugspersonen, die ihnen Abwechslung und Training im Knastalltag bieten.

 Auch Jacky sitzt schon viel zu lange im Heim.

Auch Jacky sitzt schon viel zu lange im Heim.

Foto: Andrea Lessel

Kein Hund ist perfekt, doch die Betreuer sind sich einig, dass es für jeden den passenden Zweibeiner gibt. Gefunden hat das Heim seit Projektstart schon vier Bewährungshelfer, die sich nicht von der Strafakte der Schützlinge abschrecken ließen.

Doch das sind nur vier von vielen, und es rücken immer wieder Langzeitinsassen nach. Jannis zum Beispiel, ein 2016 geborener Malinois, kam im Januar 2017 schwer misshandelt ins Heim. Er wurde Opfer einer Straftat, ist verstört und hat die Vergangenheit noch nicht verarbeitet. Neuen Menschen macht er es sehr schwer, reagiert er doch panisch, kommt ihm jemand zu früh zu nahe. Begegnungen mit Artgenossen beim Spaziergang können bei ihm unkontrolliertes Verhalten auslösen. Er sucht ein Zuhause als Einzelhund bei ganz ruhigen Menschen. Sie sollten ihm die Sicherheit vermitteln, die er nie kennenlernen durfte, und ihn rassegerecht auslasten.

Mischling Jacky, der Senior des Projekts, ist mit seinen 14 Jahren ebenso mehr Opfer als Täter. Die Festnahme war 2014, und sein Abwehrverhalten gegenüber fremden Menschen lässt erahnen, welch schlechte Erfahrungen er gemacht hat. Jacky schreckt nicht davor zurück, die Zähne einzusetzen, sobald sich Fremde nähern. Seinen geliebten Gassigehern jedoch beweist er, welch weicher Kern unter der harten Schale steckt.

Schäferhündin Ginger sitzt schon seit 2012, da war sie vier Jahre alt. Auch sie hat ihre Zähne eingesetzt, wenn sie sich bedroht fühlte, doch wie alle anderen Langzeitinsassen kann sie ein enges Verhältnis zu ihren Menschen aufbauen und ist dann eher das Schaf im Wolfspelz. Ginger überstand bereits einen Milz- und einen Gebärmuttertumor. Beide Organe sind entfernt. Eine Magendrehung und eine schwere Infektion hat die vierbeinige Kämpfern ebenfalls schon überlebt.

Das alles musste sie im Tierheim auskurieren. „Es wird höchste Zeit, das diese Hunde-Oma ein Zuhause für immer findet bei Menschen, die ihr den nötigen Freiraum lassen“, sagt Tina Waschetzko.

Ein weiterer schwieriger Fall ist der Schäferhund-Harzer-Fuchs-Mischling Devil, geboren 2010, festgenommen 2016. Ginge es nur nach dem Aussehen, hätte er schon oft ein Zuhause gefunden. Doch sein Abwehrverhalten schreckte bislang Interessenten ab. Jeder sollte wissen, dass Devil schwer misshandelt ins Heim musste. Zum Kennenlernen kommt er daher erst einmal mit Maulkorb. Nach einer gewissen Zeit lernt Devil, dass er keine Angst haben muss und öffnet sein Hundeherz von allein. Er ist absolut treu und anhänglich. Seine Betreuer können sich kaum vor nassen Hundeküssen retten. Ist einmal das Eis gebrochen, dann wird Devil der beste Freund seines Menschen.

Wer ein Herz für die kleinen Wilden hat, findet im Schwerverbrecher Sami, einem etwa achtjährigen Mischling vielleicht den richtigen Freund fürs Leben. Sami wurde 2013 festgenommen.

Dabei tat er nur das, was er in seinen jungen Jahren auf Rumäniens Straßen gelernt hat: Er setzt sich durch, zur Not mit Androhung von Gewalt und vollem Kiefereinsatz. Sami hat es gelernt, Menschen zu misstrauen, nur so überlebte er als Streuner in Rumänien.

Nach Deutschland wurde er adoptiert, doch die Freude verflog schnell, Sami war zu selbstbewusst und zu misstrauisch, so musste er ins Heim. Er ist zwar der Rudelführer, zählt aber zu den verträglichsten Hunden, teilt seine Zelle immer mit anderen seines Kalibers. Doch während alle ein Zuhause finden, bleibt er immer zurück. Dabei ist Sami ein kluger und sehr lieber Hund, sofern genug Zeit da ist, zu ihm Vertrauen aufzubauen. Nimmt sich jemand diese Zeit, dann ist der „Fall Sami“ gelöst. Und die Aktion „Cold Case“ um einen Erfolg reicher.

Übersicht: Alle aktuellen Projekthunde sind auf der Website des Bertha-Bruch-Tierheims zu finden.

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