Natur, Tiere und der Mensch

St. Ingbert. Wenn man an die Vergangenheit denkt, ist man gar nicht mal selten recht zügig bei der Kindheit angelangt. Da kommen nicht nur Erinnerungen an längst vergangene Tage hoch, sondern es fallen einem Kleinigkeiten ein. Mal sind es Gerüche, mal banale Begebenheiten. Oft auch Gebrauchsgegenstände oder gar Lebensmittel, die man heute nicht mehr kennt

 Der Autor Wulf Kirsten las in der Stadtbücherei aus seinem jüngsten Gedichtband. Foto: Martin

Der Autor Wulf Kirsten las in der Stadtbücherei aus seinem jüngsten Gedichtband. Foto: Martin

St. Ingbert. Wenn man an die Vergangenheit denkt, ist man gar nicht mal selten recht zügig bei der Kindheit angelangt. Da kommen nicht nur Erinnerungen an längst vergangene Tage hoch, sondern es fallen einem Kleinigkeiten ein. Mal sind es Gerüche, mal banale Begebenheiten. Oft auch Gebrauchsgegenstände oder gar Lebensmittel, die man heute nicht mehr kennt. Eine solche Reise in die Vergangenheit konnten Besucher der Lesung mit Wulf Kirsten am Mittwochabend in der Stadtbücherei erleben. Der ostdeutsche Lyriker war an diesem Tag Gast des St. Ingberter Literaturforums (ILF).Der Mann, der seit 1971 beinahe jedes Jahr einen anderen Literaturpreis erhält, hatte seinen jungen Gedichtband "fliehende Ansicht" dabei. Doch der Dichter mit Geburtsjahr 1934 machte zunächst dem Saarland seine Aufwartung. "Der Fluss" setzt sich mit der Saar auseinander. Das Gedicht schrieb Kirsten 2003 für den Schriftsteller Hans-Arnfrid Astel. Mit ihm verbindet ihn nicht nur eine Freundschaft, sondern auch zwei weitere Punkte. Beide sind fast gleich alt. Astel ist gerade einmal ein Jahr älter und hat seine Kindheit in Weimar verbracht. Kirsten stammt aus der gleichen Gegend. 60 Gedichte enthält "fliehende Ansicht".

Allesamt sind sie in der Zeit zwischen 2005 und 2009 entstanden. Das Gros der Werke jedoch im vergangenen Jahr. Dabei hatte kaum einer mit neuen Werken aus dem Hause Kirsten gerechnet. Hatte er doch zu seinem 70. Geburtstag 2004 mit "erdlebenbilder" Andeutungen gemacht, dass sein lyrisches Werk nun abgeschlossen sei. Mit Sachsen, wo er seine Kindheit verbrachte, und Thüringen setzt sich Wulf Kirsten in seinen Werken auseinander. Er widmet sich der Natur oder weist kritisch auf die Gefahr der Rückkehr der Wölfe hin. Wie er am Mittwoch ausführte, bestünden vor allem in den fehlenden Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere und den extrem veränderten Lebensbedingungen erhebliche Risiken. "Die Rückkehr der Wölfe" soll auch vor der starken Vermehrung der Wölfe warnen. Natur, Tiere und die Menschen sind Schwerpunkte in den Kirsten'schen Gedichten.

Doch auch die Auseinandersetzung mit der Deutschen Geschichte kommt bei ihm nicht zu kurz. Der frühere Handelskaufmann und spätere Lehrer für Deutsch und Russisch schwelgte bei seiner St. Ingberter Lesung auch in der Kindheit. Telegrafenmaste. So was kennt man heute doch kaum noch. Als kleiner Pimpf horchte man an den Holzpfählen und war vom Summen dieser Maste fasziniert. Da entsteht leicht Kopfkino. Freunde fallen einem ein. Doch Wulf Kirsten ist offen und direkt. Er befragt sich selbst und denkt sich in sein früheres Dorf zurück. Frei gibt er zu, in seiner Familie ein Außenseiter gewesen zu sein. Doch es geht in den Werken nicht nur ernst zu. Er setzt sich auch ironisch mit der Kunst auseinander: Im Dreipersonenstück etwa. Ein Akteur und zwei Zuschauer. Weimar, die Stadt, die ein großes Image habe, sei eigentlich eine Kleinstadt. Kirsten ist sehr ausdrucksstark. Wie die deutsche Sprache, die vielfältiger sei, als man denkt.

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