Kolumne für St. Ingbert Geschichte und Zukunft treffen sich

Im Sinn-Gebäude in St. Ingbert erfolgt eine wichtige Investition in der Innenstadt. Diese ist aber auch ein Symbol, wie sich Einkaufs- und Arbeitskultur verändert haben.

Kolumne von Manfred Schetting zum ehemaligen Kaufhaus Sinn in St. ingbert
Foto: Robby Lorenz

Auf der Baustelle im Sinn-Gebäude in St. Ingbert schwelgten Ulli Meyer und Gerlando Giarrizzo in dieser Woche in Erinnerungen. Sowohl der Oberbürgermeister wie auch der Architekt und Investor hatten ihre Kindheit in der Unterstadt verbracht. Und dort war das 1966 eröffnete Kaufhaus Sinn Attraktion und Ankerpunkt. Beim Rundgang durch das Gebäude hellten viele historische Farbtupfer das aktuelle Baustellen-Grau auf. Das waren noch Zeiten, als das Kaufhaus ein Vollsortimenter war, in dem sich Generationen einkleideten und immer irgendetwas Nützliches beim Ladenbummel zu finden war. Ganz zu schweigen von der legendären Rolltreppe und einem der ersten Supermärkte mit Cafeteria, der im Untergeschoss des Gebäudes seinen Platz hatte.

Die schöne Vergangenheit ist jedoch längst von neuen Realitäten eingeholt. Als Sinn-Leffers 2008 ankündigte, seine saarländischen Filialen zu schließen, war das auch ein Signal für das Ende der Kaufhauskultur in kleinen Städten wie St. Ingbert. Und kaum war das Aus von Sinn verdaut, gab es die bis in die jüngste Zeit nicht endende Frage nach der Zukunft des benachbarten Woolworth. Und eine andere Spekulation aus dieser Zeit hat aus heutiger Sicht schon fast tragische Züge. Als sich das Ende von Sinn abzeichnete, glaubten nicht wenige, dass dem ehemaligen Kaufhaus die neue C&A-Filiale den Todesstoß versetzt habe. Doch auch C&A in St. Ingbert ist längst wieder Geschichte. In Erinnerung an diesen Wandel muss man jedoch froh sein um Investoren wie Gerlando Giarrizzo und die Familie Holzer, die auch in Zeiten des Online-Handels weiter an die Zukunftsfähigkeit der St. Ingberter Innenstadt glauben und bereit sind, Gebäude mit erloschenem Kaufhaus-Flair mit neuem Leben zu füllen.

Nach der aktuellen Planung werden im ehemaligen Sinn-Gebäude etwa 100 Arbeitsplätze entstehen, also anscheinend genauso viele, wie das frühere Kaufhaus in seiner allerbesten Zeiten in den 1970er und 80er Jahren bot. Doch solch ein Vergleich ist im Wandel der Arbeitskultur zumindest unpräzise. Im modernen Büroleben heißt ein Schreibtisch nicht mehr automatisch ein Beschäftigter. Im Coworking-Space ist ein Platz zum Arbeiten gefragt, wenn ein Projekt Präsenz erfordert, und einen Büroraum zeitweise zu nutzen, eher die Regel als die Ausnahme. Köpfe zählen ist ein Konzept von gestern.

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