Übers Pferd Zugang zu Menschen

Einöd · Patienten der Jugendpsychiatrie des Uniklinikums in Homburg kommen im Rahmen ihrer Therapie zum Reiten auf den Berghof in Einöd. Hier erzielen sie Fortschritte, die anders kaum denkbar wären.

 Von Jaqueline Becker, Pferdewirtin auf dem Berghof-Einöd, betreut, fühlen sich die beiden Mädchen aus der Jugendpsychiatrie sogar rückwärts sitzend wohl auf dem Pferderücken. Foto: C. von Waldow

Von Jaqueline Becker, Pferdewirtin auf dem Berghof-Einöd, betreut, fühlen sich die beiden Mädchen aus der Jugendpsychiatrie sogar rückwärts sitzend wohl auf dem Pferderücken. Foto: C. von Waldow

Foto: C. von Waldow

"Das ist das Vorderfußwurzelgelenk und hier dies das Sprunggelenk!" Jaqueline Becker, Pferdewirtin auf dem Berghof-Einöd, nickt zufrieden. Die Mädchen und Jungen haben auch in der Theorie gut aufgepasst. Wer die Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 15 Jahren auf dem Pferderücken oder im Umgang mit den sensiblen Tieren erlebt, kommt nicht sofort auf die Idee, dass sie eine extrem schwere Zeit hinter sich haben und behindert sind. Das liegt daran, dass es sich um Patienten der Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum des Saarlands in Homburg handelt. Einmal in der Woche kommen Kinder mit erheblicher seelischer Beeinträchtigung im Rahmen ihrer Therapie zum Reitunterricht auf den nahe gelegenen Berghof. Hier lernen sie, wie andere Kinder auch, den korrekten Umgang mit dem Pferd, führen, putzen und reiten.

Seit über 35 Jahren werden Menschen mit körperlichen, seelischen und sozialen Entwicklungsstörungen oder Behinderungen auf dem Berghof Einöd mit Hippotherapie behandelt. Da Pferde Verhalten direkt spiegeln ohne zu werten, haben die Patienten gute Möglichkeiten, Re-Aktionen auf ihr eigenes Handeln zu erfahren. Der Hautkontakt, das warme Fell, die zugewandte, freundliche Art der speziell ausgebildeten Tiere ermöglichen Fortschritte, die anders kaum denkbar wären. Verschlossene Kinder öffnen sich, verstörte Persönlichkeiten gehen eine Beziehung zum Pferd ein, Verstummte beginnen sogar zu reden. "Das Selbstvertrauen wächst und über das Vertrauen zum Pferd auch oft das Vertrauen in Menschen", erklärt Hofherrin Siglinde Reitnauer. Die Therapeutin verfügt über eine hippotherapeutische Ausbildung und viele Helfer von der RSG Berghof-Einöd unterstützen sie dabei. Eine Spende des von engagierten Blutspendern gegründeten Fördervereins Menschen.Helfen.Leben e.V. unter Vorsitz von Rüdiger Schuberth hat jetzt ermöglicht, dass fünf Kinder aus der Jugendpsychiatrie in den Ferien einen kleinen Reitkurs machen konnten. Als völlige Neulinge am Pferd lernten sie am ersten Tag den Umgang. Am zweiten Tag versuchten sie sich an der Longe, der langen Laufleine, gesichert, erstmals im Sattel.

Bereits am dritten Tag durften sie im Schritt und sogar ein bisschen Trab frei reiten. "Das hat mir am besten gefallen", sagt eines der Mädchen. Ihre Kameradin fand "Alles schön mit dem Pferd!" Raus aus dem familiären Umfeld, weg von der Klinik-Station - ganz andere Zugangsmöglichkeiten zu den Patienten über die Kommunikation mit dem Tier und nicht zuletzt, den oft Sozialschwachen eine Möglichkeit bieten, die sie sonst nicht hätten", zählt Krankenpfleger Günter Glaser, der die Kinder begleitet, ganz unterschiedliche Vorteile der Hippotherapie auf. Was Siglinde Reitnauer an der großzügigen Spende von 500 Euro besonders freut, ist die bewusst ausgewählte Zielgruppe. "Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen werden deutlich häufiger gefördert, als mit psychischen Beeinträchtigungen", weiß die erfahrene Therapeutin. Dabei seien gerade in diesem Bereich die Fortschritte für die Lebensqualität der Kinder besonders groß. Sie erklärt die Nachhaltigkeit der Therapie: "Viele der Kinder können an einem normalen Reitunterricht teilnehmen und sich so über das Pferd ein Stück weit sozial re-integrieren. Wenn wegen der Entfernung nicht bei uns, dann oft in ihrer Heimat."

Bereits zum zehnten Mal haben die rund 25 Mitglieder des gemeinnützigen Fördervereins Menschen.Helfen.Leben einen Betrag von 500 Euro an eine soziale Einrichtung oder für einen sozialen Zweck gespendet. Eingenommen wird das Geld durch Blutspenden und damit gleich ein doppelter Dienst am Menschen geleistet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort